Parabelo / Ímã - kultur 71 - Dezember 2010

Brasilianische Tempo in der Oper

Die Brüder Paolo und Rodrigo Pederneiras bestimmen seit langem die Ästhetik der in der brasilianischen Großstadt Belo Horizonte beheimateten Compagnie Grupo Corpo. Ihr Name ist Programm: Selbst in Solos, Duetten und Trios agieren die ca. 20 Tänzerinnen und Tänzer in Rodrigo Pederneiras’ Choreographie immer wie ein Gesamtkörper. Parabelo ist die portugiesische Bezeichnung für die Maschinenpistole „Parabellum“, deren Name sich herleitet vom lateinischen „Si vis pacem para bellum“, was bedeutet: „Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor“. Anfangs hocken sie wie ein aggressiver Tausendfüßler auf dem Boden – eine stampfende Maschine zum Soundtrack von Tom Zé und den sanfteren Klängen von Zé Miguel Wisnik. Aus den dynamischen Gruppenkonstellationen entwickeln sich ritualisierte Körperbeziehungen, die sich in Zweier- und Dreierkonstellationen konkretisieren. Eine Frau lässt sich in einer hoch erotischen Szene im flackernden Licht seltsam widerstandslos von einem Mann wie eine Puppe bewegen und herumtragen. Die anfängliche Düsterkeit löst sich auf, die Kostüme werden vielfarbig, das Leben triumphiert in einem explosiven Taumel. Die Gefühle bleiben dennoch unterkühlt bei den heißen Rhythmen und ungeheuer schnellen, extrem präzisen Bewegungen.
Die fließende Bewegung in der Gruppe, aus der sich immer wieder solistische Aktionen herauslösen, ist ein Markenzeichen von „Grupo corpo“. Hinreißend spielerisch zeigte sich das Rodrigo Pederneiras’ 2009 uraufgeführtem Stück Ímã, was „Magnet“ bedeutet. Um Anziehung und Abstoßung geht es in rasant getanzten Szenen, deren Tempo sich so steigert, das man die Bewegungen der Füße kaum noch mit den Augen verfolgen kann. In die elektronischen Klänge des Trios „+2“ mischen sich Knirsch-Töne; Gegensätze prallen zusammen, Getrenntes verbindet sich und wirbelt auseinander in einer bis zum Zerreißen gespannten Atmosphäre. Einen ungeheuren Reiz entfaltet dabei die Lichtbühne von Paolo Pederneiras, der mit einer neuartigen Lichttechnik eine faszinierende farbige Räumlichkeit geschaffen hat. Atemberaubend sind die Körperherrschung und die Disziplin der Truppe in diesem poetisch vitalen Rausch der Farben und ununüberbietbaren tänzerischen Geschwindigkeit.
Das Publikum ließ sich bei den beiden ausverkauften Vorstellungen der Brasilianer von ihrem Temperament anstecken und wollte kaum aufhören zu applaudieren. E.E.-K.

Montag, 21.03.2011

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