Achterbahn - kultur 61 - Dezember 2009

Schwindelerregend: Achterbahn im Contra-Kreis-Theater

Zugegeben: Pierre dürfte einige Gläschen intus gehabt haben, als er nach einem netten Abend eine hübsche Brünette in seine schicke Wohnung einlud. Zumal die häusliche Bar (elegantes Bühnenbild: Pit Fischer) gut gefüllt ist und die Gattin samt gemeinsamem halberwachsenem Sohn (Papas ganzer Stolz) gerade im Ski-Urlaub weilt. Zugegeben: Mit der Familiengründung hat er sich offenbar etwas Zeit gelassen und die Midlifecrisis dürfte schon eine Weile her sein. Eigentlich ist der nette ältere Herr mit dem ergrauten Lockenkopf ein sehr treuer Ehemann, aber irgendwas hat ihn fasziniert an der attraktiven jungen Dame, die sich auch nicht lange geziert hat.
Betuchter kunstsinniger Typ sucht kleines außereheliches Abenteuer. Keine große Geschichte, wenn der französische Drehbuch- und Theaterautor Eric Assous die beiden nicht auf eine kurvenreiche emotionale Berg- und Talfahrt schickte. Achterbahn heißt das rasante Vergnügen, das der österreichische Regisseur Claus Tröger im Contra-Kreis inszeniert hat. Volker Brandt, der seine Karriere am Deutschen Schauspielhaus Hamburg unter der Intendanz von Gustaf Gründgens begann und Fernsehzuschauern u.a. als Tatort-Kommissar und Schwarzwaldklinik-Schwerenöter bekannt ist, spielt den erfolgreichen Manager. Mit Alain Delon, der die Rolle bei der Pariser Uraufführung aus der Taufe hob, teilt er sich übrigens das Geburtsjahr 1935. Brandt ist ein liebenswürdiger Kavalier mit durch harte Arbeit ordentlich gefülltem Konto und dem Rest von Spieltrieb, den Männer halt so drauf haben, wenn der Testosteronspiegel kriselt. Für die Fernbedienung der Lichtschalter reicht die Energie durchaus noch.
Kim Langner (mütterlicherseits Französin und in Paris ausgebildet) im raffinierten roten Abendkleid (Kostüme: Anja Saafan) setzt dagegen einen vieldeutigen Charme. Ihre bezaubernde Juliette ist für ein naives Betthupferl zu klug, für ein professionelles, teures Call-Girl zu neugierig, für eine feministische Journalistin zu nachdenklich. Die sprachgewandte Dame übernimmt bald die Regie der pikanten Dialoge und bringt Pierres männliches Selbstbewusstsein mit ihren logischen Volten gekonnt ins Schleudern. Möglicherweise ist sie eine Detektivin auf der Suche nach einem dunklen Geheimnis oder gar einem Scheidungsgrund, den sie vielleicht sogar selbst verkörpert. Irgendwann ist bei dem amüsanten Wortgefecht nichts mehr wie es scheint. Sicher ist nur, dass der alte Patriarch ein paar leichte Schrammen davonträgt, bevor der reichlich genossene Alkohol für einen Filmriss sorgt. Vielleicht wollte die reizende Schwindlerin wirklich bloß mal Achterbahn fahren. Dort ist schließlich wie bei der Komödie der Weg das eigentliche Ziel.
Trotzdem dürfte Pierre am Ende ganz zufrieden sein, dass es eine blitzgescheite, Juliette gibt, mit der es sich lohnt, ein paar Runden zu drehen. Den beiden Schauspielern dabei zu folgen, ist zweifellos ein ­pri­­ck­­­eln­der Hochgenuss. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std., eine Pause
Im Programm bis: 03.01.10
Nächste Vorstellungen: täglich außer montags und Heiligabend

Freitag, 26.02.2010

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