Königsdramen I (Träume) - Halle Beuel - kultur 110 - November 2014

Königsdramen I
Foto: Theater Bonn
Königsdramen I
Foto: Theater Bonn

Bekrönt und abserviert

Bekrönt und abserviert

Spärlich bekleidet und mit riesigen Schaumstoff-Köpfen tollen sie auf die Bühne, schlagen Purzelbäume und balgen sich wie verspielte alte Kinder einer Infantilgesellschaft, bis einer sich die Krone schnappt. Richard II. in albernen Union-Jack-Boxer­shorts und mit strohblonder Langhaar-Perücke ist nun King der Rasselbande. Sein historisches Vorbild war gerade mal zehn Jahre alt, als er den englischen Thron bestieg. Daniel Breitfelder karikiert rotzfrech das ferngesteuerte junge Königsmons­ter, das auch schon mal die hölzernen Wände auf der kargen Bühne von Sandra Rosenstiel (auch verantwortlich für die Maskenköpfe) hochgeht, wenn die Freundfeinde ihm zu nahe rücken. Bolingbroke z.B., den er als Verräter verbannt und beraubt, bis dieser im taubenblauen Anzug (Kostüme: Petra Winterer) wieder auftaucht und rigoros sein Recht einfordert. Dass der ständig in der Finanzklemme befindliche Richard Bolingbrokes gerade verstorbenem Vater Gaunt (natürliche Tode sind in der blutigen Geschichte nicht ganz selten) sogar die Goldzähne aus dem Gebiss knackt, ist echt kein schöner Zug. Zur Strafe wird Bernd Braun als schwarzes Gaunt-Gespenst mit grauen Zöpfchen und Sonnenbrille bis zum Ende der Lancaster-Herrschaft auf der Bühne herumgeistern.
Regisseurin Alice Buddeberg macht aus Shakespeares Richard II. eine Art royal Comic-Strip, bevor sie dem eitlen, politisch total unfähigen Herrscher eine gnadenlose Fallhöhe gönnt. Breitfelders Richard gewinnt seine tragische Größe als egozentrischer Melancholiker, der sein will wie alle und darüber jede persönliche Identität verliert. Vom Haudegen Percy (beeindruckend: Alois Reinhardt) mit Paket-Klebeband mörderisch verschnürt, erwacht er zu neuem Leben als Falstaff-Tunte im Gefolge des neuen Kronprinzen. Dessen Vater Bolingbroke ist mittlerweile König Heinrich IV., cool verkörpert von Sören Wunderlich, der lieber eine Kampfmaschine wie den jungen Percy als den eigenen Sohn an seiner Seite hätte. Hajo Tuschy mit lustiger Pony-Perücke sehnt sich in der Prinzenrolle nach menschlicher Zuwendung, die ihm vom höfischen Gesocks versagt bleibt. Papas Gunst wächst jedoch mit der erfolgreichen Niederschlagung des Percy-Aufstands, bei dem der feindliche Heißsporn sich so ausgiebig im eigenen Theaterblut suhlen darf wie in einem Splatter-Film.
Nach dem Tod seines Vaters verbannt Heinrich V. jedoch die muntere Falstaff-Clique aus seinem Gesichtsfeld und übernimmt mit geradezu heiligem Ernst die Herrscherbürde. Sichtlich ungern, die entscheidende Schlacht von Azincourt findet hier in seinem Kopf statt, während er mit dem Feuerlöscher die Schwellköpfe blutrot bespritzt, was eins der besten Bilder der ganzen ansonsten sinnlich recht unopulenten Aufführung produziert. Mit Hilfe von Wasserflaschen quetscht man sich Krokodilstränen ab, hängt mehr oder minder lässig auf der langen Bank ab und wartet auf den nächsten Auftritt. Einen der schönsten hat Robert Höller, der zuvor schon als kleiner Intrigant Aumerle gute Miene zum bösen Spiel machte, als köstlich einspringender Ballett-Dauphin. Im finsteren England sind sie noch im ausgehenden Mittelalter, in Frankreich schon fast barock. Vorher haben sie sich noch ausgiebig gekabbelt, ob das Ganze nicht ein großes Missverständnis sei und das englische Heer gemäß dem salischen Recht eigentlich an die Saale ziehen sollte. Steht übrigens echt bei Shakespeare, dessen Texte in der schlanken neuen Übersetzung von Thomas Melle, die Verse und Prosa sprachlich elegant zusammenmixt, zum Bes­ten der Aufführung gehören. Das englische Original kann man zwar in der Übertitelungsanlage nur von einigen Plätzen in den mittleren hinteren Reihen mitlesen, kommt aber auch ohne dies auf seine Kosten beim Kronen-Kinderspielplatz. Die französische Königs­tochter Katharina (als einzige Frau im Männerstück: Mareike Hein, vorher schon Richards jugendliche Witwe und äl­te­re Schwes­ter der zukünftigen Gattin ­Hein­­richs V.) lernt jedenfalls fleißig englische Vokabeln für die Hochzeitsreise auf die Insel. Dead Man down – die Killer-Story geht weiter. Verraten dürfen wir jetzt schon: Heinrich V. ist tot und sein Sohn erst acht Monate alt, wenn zwei Familien, die beide eine Rose im Wappen führen, einen Kampf beginnen, an dessen Ende Richard III. steht, der größte Schurke der Weltliteratur. E.E.-K.
Spieldauer ca. 3½ Stunden
inkl. einer Pause
die Nächsten Termine: 8.11. // 22.11.14

Am 7. Dezember sind die Königsdramen I und II in einer kompletten Aufführung zu erleben.
Die Aufführung wird um 15 Uhr beginnen und um ca. 18:30 Uhr ist eine zusätzliche Pause, in der es u.a. Eintopf zur Stärkung geben wird. Der zweite Teil beginnt dann um ca. 19:30 Uhr.
Karten für dieses besondere Ereignis sind auch bei der Theatergemeinde erhältlich.

Donnerstag, 13.11.2014

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