Beethoven oder Die 33 Variationen - Kleines Theater Bad Godesberg - kultur 114 - März 2015

Auf den Spuren des Genies



Hollywood-Diva Jane Fonda besuchte Ende 2009 das Bonner Beethovenhaus, das gerade mit einer großartigen Spendenaktion das Manuskript der „Diabelli-Variationen“ erworben hatte. Fonda spielte nämlich bei der Broadway-Premiere von Moisés Kaufmans Stück ­33 Variations die Musikwissenschaftlerin Dr. Katherina Brandt, die in Bonn eine Erklärung dafür sucht, dass Beethoven sich festbiss an einem recht trivialen Walzerthema. Dr. Michael Ladenburger, Kustos des Bonner Beethovenhauses, führte den Filmstar durch die Ausstellung und ist nun namentlich wiedererkennbar in der Bühnenfigur Dr. Gertrude Ladenburger, die die Forschungen ihrer amerikanischen Kollegin sorgsam begleitet. Juliane Ledwoch verkörpert brillant die Archivarin im strengen Outfit (Kostüme: Sylvia Wanke), deren Unnahbarkeit langsam auftaut.
Das bereits 2007 uraufgeführte Drama des in New York lebenden gebürtigen Venezolaners Kaufman ist mittlerweile auf deutschen Bühnen ein Renner, in Bonn jedoch einfach ein „Muss“. Denn hier ist die Tournee-Produktion (außer Katharina und Beethoven sind alle Rollen in Bonn neu besetzt) mit einem exzellenten Schauspiel-Team bereichert, das die Handlung psychologisch präzis ausleuchtet. Ihre schönsten Momente hat die Inszenierung von Frank Matthus immer dann, wenn die verschiedenen Zeit- und Raumebenen synchron zur Musik zusammenlaufen: Wiener Biedermeier tanzt über zwei Jahrhunderte hinweg ein Menuett mit der New Yorker Gegenwart. Und mittendrin die Erkenntnislust von Katharina, die zu Recht dem Geniekult von Beethovens Sekretär und Hagiographen Anton Schindler (überzeugend: Nikolas Knauf) nüchtern misstraut.
Um keine Missverständnisse zu wecken: Kaufmans Drama ist kein biographischer Beethoven-Essay und trotz aller sorgfältigen Recherchen (unterstützt von dem renommierten amerikanischen Musikwissenschaftler William Kinderman) kein Dokumentarstück, sondern eine konstruierte Fiktion mit emotionalen Spannungen und elegant eingestreuten Realitätspartikeln.
Schauplatz ist das Bonner ­Beethovenhaus, im schlichten Einheitsbühnenbild von Karel Spanhak raffiniert erweitert durch Video-Projektionen der dort aufbewahrten Beethoven-Handschriften. Der Meister – ein wenig zu klischeehaft polterig verkörpert von Peter Schmidt-Pavloff – hatte nicht mehr viel Zeit für sein bahnbrechendes letztes großes Klavierwerk. Auch Katharina, gezeichnet von einer degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems, muss sich bei ihrer Suche nach dem Grund von Beethovens Sinneswandel beeilen. Als dummen „Schusterfleck“ hatte er das vom Wiener Musikverleger Anton Diabelli (herrlich komisch zwischen Unterwürfigkeit und Geschäftssinn: Karl-Heinz Dickmann) komponierte Thema anfangs abgelehnt und dann statt der erbetenen einzigen Veränderung gleich 33 geschrieben. Grandios spielt Cordula Trantow die von ihrem Thema geradezu besessene Forscherin, die eisern dem fortschreitenden körperlichen Verfall trotzt, um ihr Lebenswerk zu vollenden.
Tochter Clara (mit fein differenzierter Bühnenpräsenz: Ivana Langmajer), in wechselnden Jobs auf der Suche nach einer eigenen Identität und gerade beschäftigt mit einem Bühnenbild zu „Hedda Gabler“, gerät der dominanten Mutter da schon mal aus dem ­Blick­feld. Die ebenso hübsche wie intelligente junge Frau braucht genau das Herz, das der ebenso schüchterne wie empathische Krankenpfleger Mike (charmant: Daniel Sonnleithner) ihr schenkt.
War es die Sehnsucht nach einem ehrlichen Gefühl, die Beethoven inspirierte? Eine kleine volkstümliche Melodie als Ursprung eines großen Wurfs? Oder doch nur der künstlerische Ehrgeiz, Bachs 32 Goldberg-Variationen um eine zu übertreffen? Oder ein verteufelt parodistischer Impuls, um Diabellis Ansinnen der Lächerlichkeit preiszugeben?
Es gibt keine Erklärung für die künstlerische Kreativität. Wohl aber einen Grund für die live zugespielte Musik. Bei der umjubelten Premiere spielte die bekannte Bonner Pianis­tin Susanne Kessel Passagen der „33 Variationen“. In anderen Vorstellungen übernehmen Marcus Schinkel oder Peter Bortfeldt die Position am Flügel. Musikalisch und spielerisch so hochkarätig wird man dieses Theaterstück wohl kaum je wieder erleben. Ein echtes Bühnen-Highlight und unbedingt empfehlenswert! Nicht nur für gestandene Beethoven-Fans, sondern auch für Einsteiger in die revolutionäre Denkwelt des größten Bonner Sohns. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 ¼ Stunden
inkl. einer Pause
Wird noch gespielt bis zum 11.03.15

Dienstag, 01.09.2015

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