Toutou - Kleines Theater Bad Godesberg - kultur 115 - April 2015

Toutou
Foto: Kleines Theater Bonn
Toutou
Foto: Kleines Theater Bonn

Das Tier in uns


Wie konnte das nur passieren? Alex kommt nach Hause – mit Leine, aber ohne Hund. Toutou ist weg. Hat sich einfach so davongemacht. Gattin Zoé ist völlig fassungslos. Denn seit der erwachsene Sohn nach New York gezogen ist, dreht sich bei dem soignierten Pariser Paar alles um den reizenden Vierbeiner. Mit dessen Verschwinden hat der erfahrene Krisenmanager Alex nun selbst eine handfes­te Krise am Hals. Das beginnt schon mit der Uneinigkeit über die Farbe des Köters (golden oder grau?) und steigert sich zu einem hübsch giftigen verbalen Schlagabtausch.
In seiner Komödie Toutou, die in einer Inszenierung des Salzburger Kleinen Theaters nun am Kleinen Theater Bad Godesberg zu sehen ist, lässt das französische Autoren-Team Daniel Besse und Agnés Tutenuit (auch im wirklichen Leben ein Paar) die Fassade des bürgerlichen Familienfriedens nach und nach zerbröckeln. Es ist ein sprachlich feingeschliffenes Konversationsstück, das mit viel Esprit kleine Schmerzpunkte anreißt, aber keine tiefen Wunden hinterlässt. Der verwöhnte Rüde Toutou ist eben nicht nur ein Hund, sondern der Mittelpunkt einer in die Jahre gekommenen Zweierbeziehung. Mit dem Vorteil, dass er nicht widersprechen kann und geduldig als Projektionsfläche der Gefühle herhalten muss. Ist er also bewusst geflohen oder wollte er nur mal frei die Gegend erschnüffeln? Waren Zoés Erziehungsmethoden zu streng oder die quietschende Giraffe als Spielzeug nicht nach seinem Geschmack? Oder hat Alex ihn einfach vergessen angesichts der hübschen Nachbarin, die stets zur gleichen Zeit ihren Fifi Gassi führt? Der unsichtbare Held behält Herrchen und Frauchen jedenfalls einen Abend lang fest im Griff.
Regisseurin Susanna Szamelt bringt die ansonsten eher dünne Geschichte geschickt auf dramatische Hochtemperatur und provoziert mit sorgfältig gesetzten Pointen allfällige Lacher. Margot Maria Paar (auch für die Ausstattung verantwortlich) pendelt als blonde Zoé energisch zwischen Hysterie, Aggression und tiefer Verzweiflung, sucht Trost beim leeren Hundekörbchen und bellt ihrem Gatten allerhand Bosheiten um die Ohren. Alfons Noventa gibt den tapfer allen Anfechtungen widerstehenden Macho Alex, der das Gekläff allmählich ebenso satt hat wie alle Hundehalsbänder und Wauwaus, die ihre Menschen vorführen. Zumal zentnerweise Heranschaffen von Hundekroketten kein männliches Ego völlig unbeschädigt lässt.
Ein Köter kostet bloß Raum, Zeit und Geld, findet auch Freund Pavel, der zu später Stunde aus Rom (Stammhotel: „Casa del Cane“!) hereinschneit. Der exzellente Leo Braune bringt in der Rolle des schüchternen Architekten Pavel (Spezialität Kinderkliniken) ordentlich Bewegung in die verfahrene Situation. Mit dessen eigener Beziehungs­kis­te steht es gerade auch nicht zum Besten, was ihn unter diversen Vorwänden immer wieder hundemüde zurückdackeln lässt zu seinen entnervten Gastgebern. Denen nützt es freilich auch nicht mehr viel, wenn er sich bei gepflegten Getränken und kleinen Imbissen mal mit Alex und mal mit Zoé verbündet. Dass neben allen Pariser Taxifahrern bissige Kampfhunde sitzen, grenzt indes schon an Halluzinationen.
Aber eins ist sicher: Wenn der Fressnapf ­lockt, werden Haustiere zu Menschenfreunden. Alex und Zoé können ihre Scheidung also noch aufschieben, während Pavel brav auf den Hund kommt. Freundlicher Beifall für ein auf sanften Pfoten animalisch heiter über den Boulevard schleichendes Lustspiel. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Stunden inkl. Pause

Donnerstag, 10.09.2015

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