Der fliegende Holländer - Oper Bonn - kultur 120 - November 2015

Der fliegende Holländer
Foto: Theater Bonn
Der fliegende Holländer
Foto: Theater Bonn

Gediegenes Seestück


In verschiedenen Farben leuchtet der Rahmen, in den Regisseur Walter Schütze Richard Wagners dreiaktige romantische Oper stellt. Es ist die erste Regiearbeit des bekannten Bühnenbildners, der hier neben der Inszenierung auch die ganze Ausstattung (Bühne und Kostüme) übernommen hat. Wie der Komponist es verlangte, wird Der fliegende Holländer an der Bonner Oper ohne Pause gespielt.
Schütze hat die Bühne angenehm zurückhaltend möbliert. Breite Holzstufen im Vordergrund und eine große Wand, die heruntergeklappt den Blick auf ein romantisches Seestück mit Segelschiffen im Sturm freigibt, markieren die Schauplätze. Eher putzig sind die vielen kleinen Schiffchen, die ab und zu vom Bühnenhimmel schweben. Ebenso das Schiffsmodell, das in einer Glasvitrine aus dem Boden hochfährt zu Sentas Ballade vom legendären fliegenden Holländer, der wegen eines fatalen Schwurs ruhelos über die Meere irren muss und nur durch die treue Liebe einer Frau erlöst werden kann. Überzeugend deutlich wird indes, dass die junge Frau einem romantischen Idol verfallen ist. Fantastische Lichtstimmungen (Bernd Winterscheid) illustrieren die Gefühlsschwankungen der Akteure. Zur Ouvertüre erscheint in Leuchtbuchstaben das Wort „LIEBE“ auf dem transparenten Bühnenschleier im Vordergrund. Um sinnliche Liebe zwischen dem unglücklichen Holländer und der sich zu seiner Retterin berufen glaubenden Senta geht es in Wagners 1843 in Dresden uraufgeführter Oper gerade nicht. Die beiden sind rein auf sich selbst bezogene Außenseiter, bleiben sich gegenseitig fremd. Die Regie hält sie folglich zumeist auf Distanz voneinander. Ihr Begehren erscheint abstrakt; ihre Sehnsucht zielt auf Pflicht, Mitleid und Tod.
Der großartige Mark Morouse leiht dem Holländer seine fabelhaft gereifte Baritonstimme. Wie aus dem Nichts taucht der Kapitän des Gespensterschiffs im Gemälde wild schäumender Wellen auf. Die siebenjährige Frist ist um, er darf erneut einen Sterbeversuch unternehmen. Seine gesammelten Schätze locken den braven Norweger Flotteneigner Daland so, dass er ihm gleich die Hand seiner Tochter anbietet. Priit Volmer (alternierend mit Rolf Broman) in historisierender Uniform gibt mit elegantem Bass den geschäftstüchtigen Seemann. Old School sozusagen, während die Mädels in der Spinnstube die heimgekehrten Matrosen erwarten. Leicht hysterisch agiert dort Sentas Amme Mary (Anjara I. Bartz / Ceri Williams), weil sie nur zu gut begriffen hat, dass Dalands verträumte Tochter einem Bild nachjagt, das sie ins Verderben stürzen wird. Magdalena Anna Hofmann mit ihrem schlanken Sopran (in einigen Vorstellungen stimmlich etwas üppiger: Dara Hobbs, die in Bonn schon die Isolde sang) ist eine wunderbar starke Senta.
Das Nachsehen hat ihr bitter enttäuschter Verlobter, der Jäger Erik. Er liebt aus vollem Herzen, was dem hervorragenden Tenor Paul McNamara (in anderen Vorstellungen Bernhard Berchtold oder Ensemble-Mitglied Christian Juslin) bei der Premiere zu Recht großen Beifall eintrug. Der Tenor Christian Georg (abwechselnd mit Tamás Tarjányi) ist ein ausgezeichneter Steuermann, der sehr genau das Schweben zwischen Wachheit und Albtraum zum Ausdruck bringt.
Ein Riesenlob verdient der Opernchor (inkl. Extrachor), der im „Holländer“ eine Hauptrolle spielt. Die gelben Gummistiefel der Mannschaft übernehmen beim Hafenfest die adrett im kleinen Schwarzen feiernden Frauen. Chordirektor Volkmar Olbrich verabschiedete sich mit dem „Holländer“ vom Ensemble und übergibt die Leitung an den Mailänder Marco Medved. Zwei Vorstellungen Ende Oktober dirigiert Olbrich am Pult des Beethoven Orchesters selbst, quasi als letzten Gruß an das Haus, in dem er seit 2013 engagiert war.
Chefdirigent Hendrik Vestmann zaubert im Graben hinreißende Klangfarben. Souverän führt er das Orchester durch die biedermeierliche Seelenlandschaft auf die destruktive Spur des Geschehens. Dass die Untoten ständig mit demütig gesenkten Köpfen in Kapuzen-Südwestern herumlaufen, erschließt sich nur mühsam und wirkt eher komisch als schauerlich. Was die Kinder-Statisten dabei zu suchen haben, bleibt unklar. Als Anspielung auf die aktuellen Bootsflüchtlinge ist das Motiv arg weit hergeholt.
Wirklich berührend ist die Inszenierung bewusst nur gelegentlich, macht das aber mehr als wett durch bildliche Stringenz und musikalische Exzellenz. Der neue Bonner „Holländer“ braucht insofern den internationalen Vergleich kaum zu scheuen.
Begeisterter Premierenbeifall für das Sängerteam und das Orchester, vereinzelte Buhs für die Regie.

Spieldauer ca. 2¼ Stunden, keine Pause
die Nächsten Termine :
29.10. // 8.11. // 19.11. // 25.12.15 // 8.01. // 24.01.16

Donnerstag, 26.11.2015

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