Kabale und Liebe - Kammerspiele Bonn - kultur 121 - Dezember 2015

Kabale und Liebe, Theater Bonn
Foto: Thilo Beu
Kabale und Liebe, Theater Bonn
Foto: Thilo Beu

Macht und Ohnmacht der Liebe



Wie ein riesiger Mühlstein erscheint die vertikale Drehbühne, mit der Sebastian Hannak die Szenerie ausgestattet hat. Manchmal klammert sich die zierliche Luise daran, als könne sie den Lauf des mächtigen Schicksalsrades hemmen oder beschleunigen. Das neue Ensemblemitglied Maike Jüttendonk spielt das junge Mädchen ungemein glaubwürdig und berührend. Sie ist ständig präsent auf der Bühne, oft als stumme Beobachterin der Maschinerie, die ihr Leben zerstören wird. Häufig zitiert sie wie zur eigenen Selbstvergewisserung das christliche „Credo“. Denn Luise weiß, dass Ferdinands Absolutheitsanspruch an die Liebe in dieser Welt nicht einlösbar ist.
„Ein entsetzliches Schicksal hat die Sprache unserer Herzen verwirrt“ – unter diesem Motto steht die Inszenierung von Martin Nimz in den Kammerspielen. Die Kostüme sind heutig, gesprochen wird jedoch Schillers Sturm-und-Drang-Prosa. Hofmarschall und Kammerdiener sind gestrichen, der historische Standeskonflikt bleibt im Hintergrund. Stein des Anstoßes ist weniger Luise Millers kleinbürgerliche Herkunft als das Ränkespiel einer machtversessenen Gesellschaft, in der kein Platz ist für das bedingungslose Gefühl eines in die Liebe selbst verliebten Ferdinand. Friedrich Schiller war 24 Jahre jung, als sein drittes Drama, das bürgerliche Trauerspiel Kabale und Liebe, 1784 in Frankfurt am Main uraufgeführt wurde. Kurz danach veröffentlichte er seine Rede Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet, in der er die Wiederherstellung einer höheren Gerechtigkeit durch das Theater postulierte. Ferdinand, Sohn des einflussreichen Präsidenten, schert sich indes kaum um die Ungerechtigkeit der Welt. Er will nur seine persönliche Freiheit.
Wenn er stürmisch in Luises Zimmer hereinturnt, scheint dennoch einen Moment lang auf, welche Kraft in der Liebe des ungleichen Paars stecken könnte. Robert Höller – glatzköpfig, sportlich fit – verkörpert ihn nicht als verträumten Jüngling, sondern als radikalen Außenseiter mit Rocker-Energie. Sein Adelsstand interessiert ihn nicht. Er will der Wirklichkeit entkommen durch seine Liebe, die damit weniger durch die äußeren Umstände gefährdet erscheint, als von innen heraus. Denn er kann nicht vertrauen, die Unwahrscheinlichkeit von Luises Verrat entgeht ihm. Ihren fatalen Brief verliest er per Mikrofon als Anklage gegen die ganze Welt, die ihm den Boden unter den Füßen weggezogen hat.
In der großen runden Scheibe öffnen sich immer wieder Fenster und Türen, die bei den Drehungen die Figuren in merkwürdige Schieflagen zwingen. Dahinter sieht man die leere Hinterbühne, auf der die Schritte hallig verstärkt etwas Bedrohliches haben. Ursula Grossenbacher spielt den väterlichen Präsidenten von Walter, der durch die weibliche Besetzung eine schillernde Ambivalenz erhält. Laura Sundermann gibt die Lady Milford, deren verzweifelter Verführungsversuch von Ferdinand grob zurück­gewiesen wird. Die elegante Dame hat auch keine Chance gegen die unscheinbare Luise, die bei der Begegnung mit entwaffnender Sicherheit triumphiert.
Hajo Tuschy, glatzköpfig und von ähnlicher Statur wie Ferdinand, ist als Wurm nicht nur das Instrument der höfischen Intrige, sondern ein psychologisch geschliffener Akteur. Die begehrte Luise fühlt sich nämlich auch ihrer bedrohten Familie verpflichtet. Ihre Eltern sind hier recht jung besetzt. Sören Wunderlich spielt den braven Stadtmusikus Miller, Johanna Falckner seine ehrgeizige Gattin, die den adeligen Verehrer ihrer Tochter nicht ungern sieht und bei seinem Besuch sogar ihre Stöckelschuhe anzieht.
Vor dem mörderischen Showdown mit der bekannten vergifteten Limonade gibt es noch ein munteres vierhändiges Intermezzo am Piano in der engen Miller-Sphäre im Vordergrund. Miller und Ferdinand rangeln um die Tasten, während Opfer Luise schon dem Himmel entgegen sieht und deshalb ihrem sterbenden Ferdinand den grausamen Betrug gestehen darf. Kein irdischer Ort nirgends für die Liebe, keine Versöhnung mit dem höfischen Gesindel. Aber Maike Jüttendonk als beseelte Luise, die mit ihrer unbestechlichen Klarheit wunderbar unbeschädigt das Leben früh verlassen muss.
Großer Premierenjubel für eine überzeugende Vorstellung von Schillers wildem Theaterkrimi, der mit ein paar sparsam eingesetzten Popklängen auch für jüngeres Publikum geeignet ist. Das intelligent und emotional wirkungsvoll präsentierte Stück ist immerhin Abiturstoff 2016 in NRW. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 ½ Stunden inkl. einer Pause
die Nächsten Termine :
30.11. // 4.12. // 11.12. // 18.12.15 // 25.01. // 28.01.16

Donnerstag, 28.01.2016

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Letzte Aktualisierung: 17.04.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn