Zauberhafte Zeiten - Kleines Theater Bad Godesberg - kultur 122 - Januar 2016

Zauberhafte Zeiten
Foto: Kleines Theater Bonn
Zauberhafte Zeiten
Foto: Kleines Theater Bonn

Praktische Magie



Das leuchtend rote Kussmund-Sofa entspricht überhaupt nicht dem Stil des überzeugten Junggesellen Chris. Und die reizende Blondine, die nur mit einem Badetuch bekleidet durchs Zimmer huscht, muss eine Halluzination sein. Hat der Angelurlaub in der kanadischen Wildnis dem nüchternen Wall-Street-Banker die Sinne verwirrt? Um Magie geht es in der hübschen Komödie Zauberhafte Zeiten der Kanadierin Kerry Renard. Im Kleinen Theater hat Florian Battermann, an dessen Komödie am Altstadtmarkt Braunschweig 2011 die deutschsprachige Erstaufführung herauskam, selbst die Regie übernommen bei der wunderbaren Verwandlung bürgerlicher Existenzen in Illusionen. Wobei pfiffige Pointen geschickt die dramaturgischen Schwächen des Stücks verschwinden lassen.
Debbie ist also nicht die neue Putzfrau, sondern per Erbschaft neue Besitzerin von Chris‘ Wohnung. Ein Glücksfall für die charmante Krankenschwester, deren Haus in der Wirtschaftskrise Kredithaien zum Opfer fiel. Pech für Mieter Chris, denn der soll auf der Stelle das Apartment räumen. Michaela Schaffrath als ebenso energische wie gewitzte Debbie und René Oltmanns als leicht weltfremder Fonds-Manager liefern sich also erst mal eine ordentliche Zimmerschlacht, bevor sie sich als Zwangs-WG zusammenraufen. Denn Chris verliert plötzlich seinen lukrativen Job und kann sich kein Hotel mehr leisten.
Aber die patente Debbie hat ein großes Herz, findet den schlaksigen Kerl leidlich sympathisch und hat einen kühnen Traum: Als Zauberkünstlerin ihr Geld verdienen statt in der Schönheitsklinik Schichtdienst zu leisten. Chris, der bis dahin ja auch nur mit Illusionen handelte, wäre ein prima Partner. Zumal er für Hausarbeit eher ungeeignet ist (der Kampf mit dem Bügelbrett ist eine schräge Slapstick-Nummer), aber bei Zaubertricks recht gelehrig. Debbie testet derweil den fliegenden Teppich erfolgreich mit dem täglich klingelnden Postboten. Karl-Heinz Dickmann spielt herrlich komisch den auf wundersame Weise zu- und abnehmenden Überbringer von Paketen voller Material für die geplante Show. Wobei der kaputte Aufzug zum achten Stock erst seinen Appetit auf Whisky fördert, dann aber seinen sportlichen Drang zu Höherem. Außerdem findet Chris‘ patriotische Mutter Ellen sofort Gefallen an der Idee vom Varieté-Business. Mit grell-rosa Perücke und rasanten Outfits (Kostüme: Anne Gerhardt) mimt Christiane Hecker hinreißend die quirlige alte Dame mit überraschenden Beziehungen nach Las Vegas.
Beim ersten Auftritt der neuen Zaubercrew im Seniorenheim lief zwar alles schief, aber echte Talente lassen sich nicht unterkriegen. Ein Gastspiel in einer kleinen Stadt in Deutschland namens Bad Godesberg ist angesagt. Der zum eleganten Conférencier mutierte Postmann liefert noch ein paar amüsante Details zur Lage des internationalen Standorts, bevor sich der Vorhang im Bühnenbild von Horst Neumann öffnet für das schillernde Ereignis: „Walter-Ullrich-Productions proudly presents the Magic Trio!“ Acht scharfe Schwerter rü­cken der klassischen Jungfrau in der Kiste dramatisch zu Leibe. Aber selbst beim Guillotinen-Trick bleibt der Kopf dran, weil da ein brillantes Schauspieler-Quartett mutig eine Profi-Zauber-Show präsentiert. Filmreifes Happy-End im Glamour-Himmel, Mama darf sich Enkel wünschen. Echt bezaubernd und mit entsprechendem Premieren-Beifall belohnt. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2¼ Stunden, inkl. Pause
die Nächsten Termine : vom 26. - 31.12. täglich
Ein Tipp:
Wegen der großen Nachfrage hat das Kleine Theater zwei Zusatztermine für Biedermann und die Brandstifter angesetzt: 3.02. und 5.02.2016

Dienstag, 02.02.2016

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