Elisabeth - Kleines Theater Bad Godesberg - kultur 144 - März 2018

Elisabeth - Königin der Herzen
Foto: Kleines Theater Bonn
Elisabeth - Königin der Herzen
Foto: Kleines Theater Bonn

Kaiserin der Herzen

Der Untertitel erinnert an Princess Diana, die an der Seite des britischen Thronfolgers zum Medienstar und nach ihrem Unfalltod als „Königin der Herzen“ verehrt wurde. Jung, schön, reich, unglücklich und früh gestorben – das ist der Stoff für Kolportage-Märchen. Zugegeben: Elisabeth wurde immerhin 60 Jahre alt, tat jedoch viel dafür, dass man es ihr nicht ansah.
Sie ist die weltweit populärste Gestalt der späten Habsburger Monarchie. In Wien widmet sich das Sisi-Museum dem Leben der legendären Kaiserin Elisabeth, die nach ihrer Ermordung 1898 zum Mythos wurde. Endgültig zur Kultfigur jedoch erst in den 1950er Jahren durch die „Sissi“-Filmtrilogie (mit einem ‚s‘ zu viel), in der die junge Romy Schneider die Titelrolle spielte. Mit ihrem großartigen Solo Romy Schneider – Zwei Gesichter einer Frau begeis­terte die österreichische Schauspielerin Chris Pichler bereits in der vergangenen Spielzeit das Publikum im Kleinen Theater. Jetzt feierte sie hier die Uraufführung ihres neuen Programms Elisabeth. Kaiserin der Herzen.
Und es gelingt ihr in ihrem selbst verfassten Monodrama schlicht fabelhaft, über das Mythos-Wahrheit-Klischee hinaus zwei Stunden lang die Aufmerksamkeit zu fesseln. Reizend mimt sie den naiven Teenager Lisi, die kleine bayerische Prinzessin, in die der junge Kaiser Franz Joseph sich Hals über Kopf verliebt hat. Vetter Franzl, den sie nun mit „Eure Majestät“ anzureden hat. Die streng bewachte lustlose Hochzeitsnacht, das alte spanische Hofzeremoniell mit seinen für sie bizarren Hierarchien – die naturverbundene Romantikerin Sisi erwacht auf ihrem roten Rokokosofa in einem goldenen Käfig, in dem ihr nur noch ihr plappernder Papagei Lora Gesellschaft leistet.
Pichler, die auch selbst Regie geführt und die Ausstattung entworfen hat, inszeniert klug kleine imaginäre Dialoge und die Bruchstellen im Disziplin-Gefängnis, aus dem die freiheitsliebende Elisabeth schon bald Auswege sucht. Sie sympathisierte mit dem von ihrem Mann und dessen mächtiger Mutter brutal niedergeschlagenen Aufstand in Ungarn, das sie liebte und dessen Sprache sie neben vielen anderen fließend sprach. Die Rolle der Kaiserin sei überholt, gesteht sie in einer der besten Szenen des Abends dem unsichtbaren Grafen Andrássy, mit dem sie möglicherweise mehr verband als die Machtpolitik im Vielvölkerstaat. Pichler flicht ­Elisabeths Gedichte und andere Originaltexte ein in ihre Geschichte einer Verstörung, die aus einem robusten Mädchen eine einsame femme fragile machte, aus einer zärtlich Liebenden eine selbstbe­wusste Persönlichkeit und aus einer gebildeten Frau ein monströs eitles Kunstgeschöpf: Die ewig junge und schöne Herzenskaiserin mit den diamantglitzernden Edelweiß-Sternen im Haar, so wie auf dem berühmten Winterhalter-Porträt von 1865.
Sisi auf dem Selbstoptimierungs-Trip, ­meis­tens fern vom verhassten Hof auf Reisen mit ungeheuer teurem Gefolge. Pichler lässt nach der Pause mit einem hübschen Kunstgriff Sisis bürgerliche Friseuse herrlich unverschämt zu Wort kommen, die nicht nur 5 Kilogramm Haarpracht und allerhand Tinkturen zu pflegen hat, sondern auch Sisis Fitnesswahn mit eigens eingerichtetem Turnzimmer. Die schönste Frau der Welt wird zu ihrem eigenen Double, reitet halsbrecherisch durch Großbritannien, besingt die „Last Roses“, legt ihrem kaiserlichen Gatten die junge Burgschauspielerin Katharina Schratt („was für ein Name!“) ins Bett und trägt nach dem spektakulären Selbstmord ihres einzigen Sohnes, des Kronprinzen Rudolf, ab 1889 nur noch Schwarz. In der zwielichtigen Walzerseligkeit des untergehenden Kakanien wird die beinahe zufällig von einem Anarchisten in Genf 1898 ermordete Elisabeth zum Bild, das sich andere von ihr machten. Sie suchte vehement deren Blick, um sich vor Einsichten zu schützen und ihre heiße Sehnsucht nach dem fernen kalten Ozean zu befriedigen. Chris Pichler idealisiert sie nicht und macht aus ihrer Biographie auch keinen Musical-Totentanz, sondern beobachtet mit leichter Ironie und atemberaubender Präsenz psychologisch genau die aufs Fin-de-Siècle zusteuernde Gesellschaft, in der Kaiserin Elisabeth eher eine historische Nebenrolle spielte, bevor sie nach ihrem widersprüchlichen Dasein als Kultobjekt auf dem Andenkenmarkt landete.
Standing Ovations für die brillante, auch an vielen großen deutschsprachigen Häusern gefragte Schauspielerin, die mit dem kleinen Hinterbühnen-Team (allein die Perücke ist ein Meis­terwerk) ein wirklich sehenswertes Ereignis erarbeitet hat. E.E.-K.
Spieldauer ca. 2¼ Stunden inkl. Pause
Die letzten Vorstellungen:
täglich ausser montags bis zum 9.03.18

Donnerstag, 06.12.2018

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