I due Foscari - Oper Bonn - kultur 147 - Juni 2018

I Due Foscari
Foto: Thilo Beu
I Due Foscari
Foto: Thilo Beu

I due Foscari

Die Medien sind immer dabei in Venedigs Machtzentrale. Im Dogenpalast herrscht nervöse Hochspannung. Denn Jacopo, Sohn des Dogen Francesco Foscari, ist unerlaubt aus der Verbannung zurückgekehrt. Verurteilt wurde er wegen angeblicher Korruption und ist nun auch noch wegen Mordes an einem einflussreichen Politiker angeklagt. Regisseur Philipp Kochheim hat den historischen Stoff aus dem Jahr 1457 in die Gegenwart versetzt, was im kühlen Bühnenbild von Piero Vinciguerra überzeugend funktioniert. Es geht um Machtkämpfe und politische Intrigen in Verdis früher Tragedia lirica I due Foscari, uraufgeführt 1844 in Rom. Eigentlich hatte der Komponist nach dem Sensationserfolg von Nabucco 1842 in Mailand das Werk für sein Debüt an der Oper von Venedig gedacht, wo man das heikle Sujet jedoch ablehnte. Er griff dann zurück auf das Drama The two Foscari des damals in Italien noch sehr populären britischen Dichters Lord Byron. Das ist ziemlich redselig und nicht besonders spannungsreich, so dass Verdi seinen Librettisten Francesco Maria Piave bat, ein wenig „Radau“ einzubauen und den Text dramatisch aufzubessern.
Radau macht das Beethoven Orchester unter der Leitung des genialen Verdi-Dirigenten Will Humburg keineswegs. Aber schon bei den ersten Tönen wird klar: Die Sache kann nicht gut ausgehen. Humburg führt musikalisch ungemein differenziert durch das komplexe Geschehen zwischen nicht ganz unabhängigen Ratsentscheidungen und ehrlichen Gefühlen. Diese vertritt vor allem die großartige russische Sopranistin Anna Princeva, die schon mehrfach in Bonn gastierte (aktuell auch als Gräfin in Mozarts Le nozze di Figaro) und als Jacopos tapfere Gattin Lucrezia der eigentliche Star der Aufführung ist. Die Frau im eleganten Hosenanzug (Kostüme: Mathilde Grebot) ist keine sentimental Liebende, sondern eine Kämpferin, die begriffen hat, was hinter den Kulissen läuft. Leider nützt es ihr nichts mehr, wenn sie beim Regatta-Volksfest (hier demonstrativ mit der italienischen Trikolore dekoriert) ihre beiden Kinder mitleidheischend vorführt. Der eisig in den Machtkampf verbissene Gegenspieler Jacopo Loredano (mit feinem Bass: Leonard Bernad) hat seine politischen Anhänger längst gegen die Familie Foscari in Stellung gebracht. Es ist tatsächlich eine dramaturgische Schwäche der selten gespielten Oper, dass Loredano nur wenig groß zu singen hat, ­meis­tens im Hintergrund agiert und erst am Ende fast heimlich seinen Triumph genießt.
Der Tenor Felipe Rojas Veloso meistert die Partie des jungen Foscari stahlhart höhensicher und berührt zutiefst als gemarterter, von Halluzinationen heimgesuchter Häftling im Staatsgefängnis, wo nur noch seine treue Gattin Hoffnungsschimmer aufleuchten lässt. Zerrissen zwischen staatsmännischer Pflicht und väterlicher Zuneigung gibt der weltweit gefragte Starbariton Lucio Gallo den alten Dogen Foscari. Hier kein schwacher Greis, sondern ein sehr vitaler Mann, der auf der Höhe seiner Karriere abstürzt. Verzweifelt opfert er seinen Sohn der republikanischen Staatsraison. Zu spät erweist sich dessen Unschuld, verkündet von Loredanos Parteigänger Barbarigo (in einer Nebenrolle stimmlich auffallend: der Tenor Christian Georg). Jacopo Foscari hat sich erschossen, bevor er erneut per Galeere ins Exil gehen musste. Von dem perfekt vernetzten jungen Schnösel Loredano angetrieben, wird der auf Lebenszeit von den Bürgern bestimmte Doge Francesco Foscari von den Repräsentanten des Volkes aus seinem Amt gejagt und hat keine andere Wahl mehr als den Tod.
Chor und Extra-Chor, einstudiert von Marco Medved, machen ungerührte Miene zu dem bösen Spiel, sind indes jedoch nicht nur musikalisch, sondern auch spielerisch ein Highlight der Vorstellung dieser Verdi-Oper, die den Großmeister des italienischen Musiktheaters des 19. Jahrhunderts schon mehr als bloß erahnen lässt. Sein Gesellenstück wird mit guten Gründen gerade wiederentdeckt, war u.a. 2016 schon szenisch konservativ in der Mailänder Scala zu erleben und 2017 konzertant bei den Salzburger Festspielen. In Bonn nun in einer wirklich aufregenden Interpretation, die bei der Premiere schon für viel begeisterten Zwischenbeifall und am Ende für fast einhelligen Jubel sorgte. Eine Aufführung, die man auf keinen Fall verpassen sollte! E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 ¼ Stunden, inkl. Pause
Die Letzten Vorstellungen:
3.06. // 9.06. // 24.06. // 29.06. // 7.07. // 12.07.18

Dienstag, 15.01.2019

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