Xerxes - Oper Bonn - kultur 150 - November 2018

Xerxes
Foto: Thilo Beu
Xerxes
Foto: Thilo Beu

Sensationeller Bühnenspaß

Wahrscheinlich ist die Sache mit dem Baum eine griechische Erfindung wie die monströse Größe des Heeres unter der Führung des Perserkönig Xerxes, der 480 v. Chr. bei Salamis vernichtend geschlagen wurde. Es gehört zu den üblichen Strategien, den Gegner lächerlich zu machen. Die berühmte Platane, die Xerxes in seiner populären Auftrittsarie „Ombra mai fu“ so inbrünstig besingt, gibt es in der Bonner Inszenierung denn auch nicht. Stattdessen eine Atomraketen-Attrappe, geschmückt mit dem allgegenwärtigen Wappen des kleinen Tyrannen, einer sternenumkränzten Palme.
Mit dem historischen Xerxes hat Georg Friedrich Händels späte Oper Serse, 1738 wenig erfolgreich in London uraufgeführt, tatsächlich wenig zu tun. Es ist eine Komödie mit bizarren Liebes- und Eifersuchtsverwirrungen. Der italienische Regisseur Leonardo Muscato, der zum ersten Mal in Deutschland inszeniert, macht daraus eine köstliche Satire auf die Diktatoren unserer Zeit, die sich neue Sultanspaläste bauen, für Unsummen zweifelhafte Da Vincis kaufen, mit bloßen Händen sibirische Tiger erwürgen oder wie die nordkoreanische Familie Kim das Präsidentenamt der kommunistischen Republik über Generationen vererben.
Xerxes ist hier ein großes, verwöhntes Kind, das gern mit Pappsoldaten spielt und von Gefühlen keine Ahnung hat. In ordensgeschmückter Fantasieuniform mit Sonnenbrille und schwarzem Rauschebart verkörpert die Mezzosopranistin Luciana Mancini die Titelpartie – sängerisch und spielerisch eine absolute Glanzleistung!
„Xerxes“ steht in Riesenlettern oben auf der Palastfront, hinter der der blaue Himmel durchscheint. Alle Bauten im Bühnenbild von Andrea Belli sind bloß Fassaden mit faschistischer Pseudorenaissance-Anmutung und gleichzeitig amüsante Zitate der Kulissenprospekte von Barock­opern inklusive herabschwebender weißer Wölkchen. Ein ausdrückliches Lob verdient dabei das Licht von Max Karbe. Irgendwann lugen sogar große Tiere wie eine Giraffe durch die Bogenfenster, und im Hintergrund erscheint ein niedlicher Dinosaurier aus dem Privatzoo des Herrschers. Angst muss man nicht haben, die Maschinengewehre sind deutlich aus Plastik, die bonbonrosa Panzerattrappe ist bloß ein Schmuck­stück für den Innenhof.
Während Xerxes sich selbstverliebt erfreut an den überlebensgroßen Denkmälern seiner Majestät, verfällt er jedoch den Reizen der ­ent­zü­ckenden Blondine Romilda. Vollkommen begreiflich angesichts der gesanglichen Brillanz der Sopranistin Louise Kemény, neu im Bonner Ensemble. Kostümbildnerin Katia Bottegal hat dem munter herumhüpfenden Girlie ein putziges lila Volant-Kleidchen verpasst und spielt auch sonst raffiniert mit Farben. Violett ist das Markenzeichen des Herrschers und seiner Armee. Die Komplementärfarbe gelb trägt Xerxes‘ Bruder Arsamene (wunderbar gefühlvoll: Kathrin Leidig), der nach der Heimkehr aus dem Krieg endlich seine geliebte Romilda heiraten möchte. Deren Schwester Atalanta (herrlich kokett: Marie Heeschen) hat aber auch ein Auge auf Arsamene geworfen und setzt einiges in Bewegung, um Romilda mit Xerxes zu verkuppeln.
Je nach Blickwinkel erleichternd oder erschwerend kommt hinzu, dass dieser längst verlobt ist mit Anastre, das aber wohl im Eifer seiner Leidenschaft vergessen hat. Das langjährige Ensemble-Mitglied Susanne Blattert als zornige Diva, die sich zwecks Rückeroberung als Soldat verkleidet, ist in der androgynen Partie einfach unschlagbar. Tenöre gibt’s in dieser Oper nicht, dafür aber zwei Bässe. Leonard Bernad als kampf­erprobter General Ariodate, Vater von Romilda und Atalanta, möchte seine Töchter nur möglichst lukrativ mit dem Herrscherhaus verbinden. Martin Tzonev als Diener Elviro sorgt für perfekt falsch zugestellte Briefe und Blumen. Eigentlich ist er die einzige wirkliche Komödienfigur in dem sentimentalen Verwirrspiel, das man gar nicht in allen Details verstehen muss.
Ein bisschen überstrapaziert ist das Klick-Motiv: Wer gerade nichts zu sagen hat, wird kurzerhand wie eine Marionette ruhig gestellt oder per Händeklatschen wieder belebt. Trotz aller witzigen Comic-Ästhetik gelingt es der Regie, die Akteure ernst zu nehmen. Das liegt vor allem an der Musik, in der Händel noch mal äußerst differenziert widersprüchliche Emotionen zum Klingen bringt. Unter der musikalischen Leitung des erfahrenen Barock-Spezialisten Rubén Dubrovsky ist da überall fabelhafter Schwung im Spiel. Das klein besetzte Beethoven Orchester lässt Händel rocken und kommentiert mit Tempo und glänzendem Esprit alle Handlungskapriolen. Der Chor ist zwar gestrichen und auch sonst einiges gekürzt, aber das perfekte Ergebnis ist unbedingt sehens- und hörenswert. Dass es bei einer Händel-Oper ständig Lacher und ­Zwischen­applaus gibt, ist eher selten. Hier passiert es auf internationalem Spitzen-Niveau. Der lange stürmische Premierenbeifall war folglich kaum zu stoppen.

Spieldauer ca. 2,5 Stunden, inkl. einer Pause
Die weiteren Vorstellungen:
3.11. // 25.11. // 2.12. // 15.12. // 30.12.18 //
18.01.// 26.01. // 24.02. // 13.03.19

Montag, 21.01.2019

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