Brundibár - Kinderoper im Foyer der Oper Bonn - kultur 158 - Juli 2019

Brundibár
Foto: Thilo Beu
Brundibár
Foto: Thilo Beu

Beklemmende Erinnerungen

Immer wenn sie Verdis Requiem höre, werde ihr kalt, erklärt Wilhelmine Goldstein, genannt Mimi. Die Schauspielerin Barbara Teuber kommt aus dem Zuschauerraum auf die Bühne, um mit der Aufforderung „Stell dir vor …“ eine Zeit nah heranzuholen, in der Menschenwürde brutal ­missachtet wurde und Millionen von Juden in Vernichtungslagern starben. Das Grauen ist kaum vorstellbar; deshalb gibt es bei der neuen Inszenierung der auf den ersten Blick ganz harmlosen Kinderoper Brundibár eine Rahmenerzählung. Überleben. Monolog., verfasst von der Autorin Lisa Sommerfeldt auf der Basis von Zeitzeugnissen. Der Text berichtet vom Entsetzen des (fiktiven) jüdischen Bonner Mädchens Mimi beim Brand der Synagoge am Rheinufer, von den Misshandlungen ihrer Familie und der Deportation ins nordböhmische KZ Theresienstadt. Von der Nazipropaganda zynisch zum kulturellen Luxus-Ghetto deklariert.
Die kurze Oper Brundibár des Komponisten Hans Krása (*1899 in Prag, ermordet 1944 in Auschwitz) wurde dort über 50 Mal aufgeführt. Zahlreiche Mitwirkende überlebten die Haftbedingungen nicht oder wurden in Tötungslager geschickt. Aber den Musikern und den Kindern gab Brundibár ein Stück Normalität zurück: Essen, Schlafen und etwas weniger Todesangst. Die Geschichte ist eher schlicht: Die Geschwister Annika und Pepicek brauchen dringend Milch für ihre kranke Mutter, haben aber kein Geld. Auf dem Markt beobachten sie den Leierkastenmann Brundibár, der mit seiner Musik schnell sein Geld einspielt. Die Kinder versuchen mit Gesang, ein paar Münzen zu ergattern. Aber niemand hört ihnen zu, und Brundibár verjagt die unliebsame Konkurrenz. In der folgenden Nacht alarmieren jedoch einige Tiere alle Freunde, so dass die beiden Kinder am Ende doch ihren Feind besiegen können und mit ihren Stimmen einen Traum von Frieden und Solidarität verwirklichen.
In der Inszenierung von Mark Daniel Hirsch liegen die Kinder anfangs in an Häftlingskleidung erinnernden grauen Kostümen auf dem Boden (Ausstattung: Regina Rösing), werden durch die Erzählung zum Leben erweckt und kehren am Ende wieder in ihren Schlummer zurück. Man hört das bedrohliche Geräusch eines fahrenden Zuges. Unter der musikalischen Leitung von Ekaterina Klewitz agieren der Kinder-/Jugendchor des Theater Bonn und ein kleines Instrumental-Ensemble einfach hinreißend. Sängerisch und darstellerisch fabelhaft präsentieren sich die jungen Solist*innen; alle hätten hier ein besonderes Lob verdient. Es gibt auch einiges zu lachen, insbesondere angesichts der lustigen Tierfiguren. Denn die Geschichte handelt ja nicht nur von der Kraft der Musik, sondern auch von Lebensmut und Freundschaft. Mimi berichtet von ihrer Rettung und wie ihr Leben trotz aller schmerzlichen Erinnerungen weiterging. Den fröhlichen ­Schlusschor singen alle auf Tschechisch. Begeisterter Applaus!
Alle Vorstellungen in dieser Spielzeit waren ausverkauft. Die erfolgreiche Produktion wird im Herbst wiederaufgenommen. E.E.-K.

Spieldauer ca. 60 Minuten, keine Pause
Die nächsten Vorstellungen: 6.09. //7.09. // 28.09. // 29.09.19

Donnerstag, 05.09.2019

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