Heilig Abend - Kleines Theater - kultur 160 - November 2019

Heilig Abend
Foto: Kleines Theater Bonn
Heilig Abend
Foto: Kleines Theater Bonn

Spannendes Kammerspiel

Mit besinnlicher Weihnachtsstimmung hat das im Januar 2017 (der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt lag nur ein paar Wochen zurück) uraufgeführte Stück des Bestsellerautors Daniel Kehlmann nichts zu tun. Das christliche Fest wäre aber symbolisch durchaus geeignet für einen ­islamistischen Terroranschlag. In der Inszenierung von Stefan Krause tickt auf der Bühne zwar keine Uhr, aber die Zeit läuft. Um Mitternacht, in genau 90 Minuten, könnte eine Bombe gezündet werden und viele Menschen töten. Im metallisch kühlen, verspiegelten Polizei-­Verhörraum (Bühne: Helmut Rübsamen und Stefan Krause) sitzt die Philosophie-Professorin Judith, festgenommen wegen eines möglicherweise von ihr und ihrem Ex-Mann geplanten Attentats. Kommissar Thomas muss herausfinden, ob es die Bombe gibt und wo sie versteckt ist.
Wolf-Guido Grasenick in der Rolle des Vernehmers beherrscht die psychologischen Frage- und Einschüchterungstricks perfekt. Sandra Krolik als intellektuell überlegene Gegenspielerin pariert seine Angriffe souverän. Sie bleibt cool, während er brennt für seine Aufgabe, Menschenleben zu schützen. Er ist wütend auf die mörderischen „Dschihad-Idioten“, Judith auch. Aber aus einem anderen Grund: Die Terroristen sind für sie in Wahrheit Handlanger des Systems, das sie zu bekämpfen glauben. Mit ihrer radikalen Systemkritik und akademischen Arroganz wirkt sie wie ein Relikt des 20. Jahrhunderts. Soll man ihr tatsächlich glauben, dass ihr ganzes Bestreben der notfalls mit Gewalt zu erkämpfenden weltweiten Verteilungsgerechtigkeit gilt, dass das belastende Material nur für ihre Seminare zur Gesellschaftstheorie gedacht war und die Bombe ein Hirngespinst der Kriminalpolizei sei?
Thomas droht ihr zwar ‚robus­te Maßnahmen‘ an, was sie mit spöttischem Lächeln quittiert, bleibt aber der stets korrekt funktionierende Vertreter eines rechtsstaatlichen Systems und hält den Konflikt zwischen geltenden bürgerlichen Freiheiten und deren notfalls greifenden Einschränkungen tapfer aus. Er verteidigt die konkrete Sicherheit des friedlichen Zusammenlebens, sie die Utopie humaner Gleichheit und grenzenloser Freiheit. Beide belauern sich wie beim Schach gegenseitig auf Anzeichen von Schwäche und fehlerhafte Spielzüge. Die Partie endet freilich unentschieden. Draußen kracht es zwar am Ende, aber der Thriller bleibt ein Dialog begabter Schauspieler. Freundlicher Beifall bei der besichtigten, leider bei weitem nicht ausverkauften Vorstellung. E.E.-K.
Spieldauer ca. 2 Stunden, inkl. Pause
Die letzten Vorstellungen:
28. + 30.10.19

Mittwoch, 01.01.2020

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