La Pastorale und Prometheus - Tanzgastspiele im Opernhaus

Schönheit und Energie - Zwei neue Beethovenballette in der Oper

„La Pastorale“ mit dem Malandain Ballet Biarritz
Auf den Eintrittskarten stand noch Beethoven 7. Der französische Choreograf Thierry Malandain hatte sich aber doch für die 6. Sinfonie entschieden, der der Komponist selbst den Namen „Pastorale“ gab. Den undankbarsten Part dabei hatte die junge Pianistin Magdalena ­Müllerperth, die als Ouvertüre Auszüge aus der Klaviertranskription von Franz Liszt spielte: Eine schöne Einstimmung auf die musikalischen Motive des Werks mit seinen empfindsamen und hochdramatischen Naturschilderungen. Malandain entführt mit seinem großen Ensemble anfangs zu den „Ruinen von Athen“ in eine graue, archaische Stadtwelt. Eng begrenzt von einem blinkenden Geviert aus Ballettstangen suchen die Tänzer*innen nach Freiheit, bis der Raum sich öffnet für Bewegungen in der Natur. Die numinosen göttlichen Wesen weichen hellen Gestalten und heiteren Gefühlen in einer bukolischen Idylle. Die wird beim wilden Gewittersturm noch einmal empfindlich gestört, aber Liebe, Anmut und Vernunft gewinnen im Kampf mit den wütenden Elementen. Elegante Soli und Duette wechseln sich ab mit hinreißenden Ensemble-Szenen. Oft halten sie sich freundlich an den Händen, bilden mit untergehakten Armen schützende Kreise oder weitschwingende Linien. Um ein harmonisches Zusammenleben zwischen Mensch und Natur geht es deutlich in dieser vom Theater Bonn zum Beethovenjahr in Auftrag gegebenen und hier nach einer Vorpremiere in Paris uraufgeführten Produktion.
Mit Beethovens Vertonung von Goethes „Meeresstille und glückliche Fahrt“. Die Chorstimmen lassen nach der „Todesstille fürchterlich“ die „Nebel zerreißen“ und weisen voraus auf die Utopie einer brüderlichen Menschheit über alle Grenzen hinweg. In hautfarbenen Trikots tanzt die Gruppe wie schwerelos durch die beruhigte Flut ans Ufer des Sehnsuchtslands. Poesie und Schönheit, beseelte Naivität mit körperlicher Perfektion – hingerissener Beifall an den beiden ausverkauften Abenden kurz vor Weihnachten.

„Prometheus“ mit dem Saarländischen Staatsballett
Ein Libretto zu Beethovens einzigem abendfüllendem Ballett, 1801 in Wien uraufgeführt, gibt es nicht. Nur zeitgenössische Berichte, die die Handlung des von dem damaligen Starchoreographen Salvatore Viganó konzipierten Tanztheaters erahnen lassen. Der Belgier Stijn Celis, seit 2014 Leiter der Ballettcompany am Saarländischen Staatstheater, erzählt also zu Beethovens selten vollständig erklingendem Musikstück Die Geschöpfe des Prometheus eine neue Geschichte auf der Basis des antiken Mythos. Prometheus schuf aus Lehm die ersten Menschen, brachte ihnen das lebenspendende Feuer, wurde von Göttervater Zeus dafür grausam bestraft und angeschmiedet an einen Felsen im Kaukasus einem Adler zum Fraß preisgegeben. In der aktuellen Inszenierung ist der gequälte Revolutionär eine Frau, im hautfarbenen Trikot wie nackt archaischen Mächten als Opfer angeboten.
Celis‘ Blick auf die Mythologie gilt indes mehr den Geschöpfen des aufbegehrenden Titanensohns. Er lässt sie im Olymp von den Musen zivilisieren. Mit lästigen riesigen roten Halskrausen toben zwei herum. Eine Tänzerin schwebt ganz in Rot wie ein erotisch aufgeladener Engel gen Himmel. Ein Paar tanzt auf der Spitze einen klassischen Pas-de-deux, während die anderen barfuß laufen und quasi ihre schlichte Kreatürlichkeit behaupten. Kraftvolle Energie, verspielte Heiterkeit und Körperlust verbinden sich im Bühnenbild von Sebastian Hannak zu überraschenden Szenen. Ab und zu kommt Beethovens Musik (hier vom Band) zum Stillstand und wird auf einem Ton festgehalten von dem elektronischen Sound-Design des italienischen Komponisten Lorenzo ­Bianchi Hoesch. Dessen lautstarker Epilog erschließt sich leider nicht so ganz. Prometheus, bekleidet mit Napoleonhut und klobigen Stiefeln markiert eher komisch die kriegerische Seite des Lebens. Mit Strahlenkranz und Fackel erscheint der Lichtbringer am Ende mit stummem Pathos. Seine Schöpfung war ein Anfang, mit den Folgen bleibt noch viel zu tun.
Auch bei diesen beiden ausverkauften Gastspiel-Abenden, zum Beethovenjahr koproduziert mit dem Theater Bonn, gab es rauschenden Applaus und viel Freude über die klug irritierende Reanimation eines besonderen Ballettwerks. E.E.-K.

Das nächste Gastspiel in der Reihe „Highlights des internationalen Tanzes“ folgt am 1. März aus Frankreich mit My Ladies Rock von Jean-­Claude Gallotta, einer Hommage an die weiblichen Stars der Rockmusik.

Freitag, 24.04.2020

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