Rita Baus - Kultur Nr.172 - Oktober 2022

„Quatsch keine Oper“ und „Beethoven Moves“ - Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Rita Baus

Für sie gehe ein Traum in Erfüllung, erklärt Rita Baus – wir kennen uns seit mehr als drei Jahrzehnten – beim Gespräch in einem Poppelsdorfer Café. Vor einigen Tagen sind die Jugendlichen aus Kolumbien in Bonn angekommen und proben nun mit professionellen Künstlern für ihre große Bühnenshow „Beethoven Moves!“, die im Rahmen des diesjährigen ­Beethovenfestes am 9. September in der Aula der Universität ihre Premiere feiern und danach noch zwei Mal aufgeführt wird. Eigentlich war die Vorstellung schon im Beethoven-Jubiläumsjahr 2020 geplant, musste aber wegen der Pandemie mehrmals verschoben werden.
Die Vorgeschichte des Projekts ist lang. 2017 fragte die Don Bosco ­Mission Bonn bei der erfahrenen Kulturproduzentin an, wie man die weltweite pädagogische Arbeit des katholischen Kinderhilfswerks in einen kulturellen Kontext rücken könne. „Ich fand die Aufgabe direkt sehr spannend und die Herausforderung hat mich gereizt. Auch weil bei der Arbeit des Ordens der Salesianer Don Boscos konfessionelle Aspekte keine Rolle spielen. Es geht um die weltweite Unterstützung benachteiligter junger Menschen. Dafür hat die Don Bosco Mission, die sich nur über Spenden finanziert, einen Riesen-Pool an Kompetenzen.“ So entstand die Idee zu dem globalen Kunst- und Bildungsprojekt „M.O.V.E“ (Music Overcomes Violence and Exclusion), die 2018 mit dem Kontakt zu der Ciudad Don ­Bosco in Medellín konkretere Formen annahm. „Hier werden Kinder und ­Jugendliche betreut, die verwaist sind oder aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr bei ihrer Familie leben können. Viele haben schlimme ­Erfahrungen als Straßenkinder oder Kindersoldaten gemacht.“
In der Bonner Kulturszene stieß Rita Baus auf offene Ohren: Gemeinsam mit dem Generalmusikdirektor Dirk Kaftan und dem Beethoven ­Orchester Bonn wurde „Beethoven Moves!“ ins Leben gerufen: ­Beethovens 5. Sinfonie (die sogenannte „Schicksalssinfonie“) begegnet urbaner Straßenkultur. „Im Januar 2019 reiste ich zum ersten Mal in die kolumbianische Metropole, um die Lebenswelt der Menschen dort kennenzulernen. Um Ostern 2019 folgte ein Besuch mit Kaftan und ­Musikerinnen und ­Musikern des BOB. In musikpädagogischen und kreativen Workshops wurde Beethovens 5. Sinfonie gespielt, getanzt, gerappt und in Bildern und Graffiti illustriert. Anfang 2020 gab es dann mit Jugendlichen aus Bonn und der Umgebung entsprechende Workshops. Dann kam Corona, wir blieben in ständigem Kontakt mit Medellín und sind nun ­über­glücklich, dass Beethovenfest-Intendant Steven Walter sich sofort für das Projekt begeisterte und es ins ­Programm nahm. Das Begegnungsfest der Jugendlichen aus Kolumbien und Bonn letzte Woche war unfassbar berührend.“
Rita Baus entwickelt für Don Bosco noch weitere Projekte. So war sie vor drei Wochen in Istanbul, wo das Don Bosco Learning Center jeden Sommer ein vielseitiges Ferienprogramm für Flüchtlingskinder organisiert. 140 Kinder aus zehn Nationen nahmen daran teil, hauptsächlich aus dem Irak und Syrien. In diesem Jahr auch viele aus Afrika und einige aus der Ukraine. Baus war mit der Geigerin und Dirigentin Anna-Sophie Brüning angereist. Hinzu kamen sechs Musiker des staatlichen Orchesters ­Istanbul. „Jeder brachte seine ganz eigene Vorstellung von Musik mit, seine ureigene Kraft und Kultur, quasi den Soundtrack seines Lebens. Völlig unabhängig davon, ob er oder sie jemals ein Instrument in der Hand hatte. Am Ende gab es ein wunderbares Konzert mit über vierzig jungen Mitwirkenden, die sich im Garten der deutschen katholischen Gemeinde in Istanbul verteilten.“
Geboren wurde Rita Baus 1958 im Saarland, arbeitete zunächst als Kinderpflegerin – „Ich finanziere mich selbst, seit ich vierzehn bin“ – und machte ab 1976 eine Ausbildung zur Erzieherin und Spieltherapeutin an der Fachschule für Sozialpädagogik in Köln. Weil sie unbedingt Psychologie studieren wollte, absolvierte sie an der Universität Bonn ein Begabten-Sonderabitur in den Fächern Germanistik, Psychologie und Pädagogik. „Ich kann nicht auswendig lernen, aber gut Zusammenhänge begreifen und habe mir das Wissen in Gesprächen mit Doktoranden erarbeitet.“ Mit der Note „Sehr gut“ von drei Professoren stand ihr nun die akademische Welt offen. Sie zog in eine studentische WG und gehörte 1985 zum Gründungsteam des soziokulturellen Zentrums Brotfabrik. Sie engagierte sich zuerst in der Kneipe, wurde kurz danach Pressesprecherin und war später auch zuständig für das Bühnenprogramm.
Nach einem kurzen Engagement 1986 als Konzeptentwicklerin für das Kleinkunsttheater „Vorderhaus“ in Freiburg und der klaren Einsicht „Kultur funktioniert nicht demokratisch“ kehrte sie nach Bonn zurück. Im Hinterhaus der Brotfabrik probte das Theater „Lichterloh“ unter der Leitung von Rainer Pause, der 1987 im Kulturforum im Bonn-Center das „Pantheon“ gründete. Rita und Rainer wurden auch privat ein Paar. Sie übernahm die Pressearbeit und blieb bis 2006 geschäftsführende Gesellschafterin und Künstlerische Leiterin der Kabarettbühne am Bundeskanzlerplatz. Sie engagierte hier bekannte Künstler und neue Talente. 1995 brachte sie den „Prix Pantheon“ (live und als TV-Format) auf die Erfolgsschiene, bis heute einer der ­renommier­testen Kabarett-Preise in Deutschland. „Es waren tolle Jahre im Pantheon, direkt im Regierungszentrum. Nach einem großen Artikel in der ‚Zeit‘ über das ‚Bonner Bermuda-Dreieck‘ waren wir plötzlich bundesweit bekannt. Etliche Politiker wurden Stammgäste unserer Bühne.“ Im Pantheon sammelte Baus Erfahrungen als Produzentin, entwickelte neue Formate mit Rainer Pause und Martin Stankowski (u. a. Programme wie „Tod im Rheinland“), übernahm Regieaufgaben und konzipierte Tourneen. Ein besonderes Highlight in Bonn war der „Politische Aschermittwoch“ im Bundestag am Rhein, 2005 organisierte sie das Format dann im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages an der Spree.
Bereits in Oberhausen war der spätere Bonner Generalintendant Klaus Weise durch ein Programm mit den „Missfits“ im Theater Ebertbad auf sie aufmerksam geworden. Die bekannte Kabarettbühne liegt ganz in der Nähe des städtischen Theaters Oberhausen. Als Weise 2003 nach Bonn wechselte, fragte er sie nach einer möglichen Veranstaltungsreihe in seinem neuen Wirkungsort. Rita Baus erfand Quatsch keine Oper – den Namen hat sie sich übrigens schützen lassen. „QKO“ wurde ein Riesenerfolg, war fast immer schnell ausverkauft und lockte Publikum weit über die Region hinaus an. Weises Nachfolger ­Bernhard ­Helmich übernahm 2013 das bewährte Format, das bald sein 20-jähriges Bestehen feiern kann, ohne lange Diskussion. „Wir haben die sogenannte Kleinkunst in einem Ort der sogenannten Hochkultur etabliert. Es gab seinerzeit nirgendwo Vergleichbares“, bemerkt Baus nicht ohne Stolz.
Nach einem Zwischenspiel beim Film- und Fernsehunternehmen „Studio Hamburg Produktionen“, wo sie für die TV-Entwicklung im Unterhaltungsbereich zuständig war, zog sie nach Berlin und übernahm von 2007 bis 2009 die Künstlerische Leitung des traditionsreichen ­Admirals­palastes, der inzwischen von einem bundesweit tätigen Entertainment-Unternehmen betrieben wird. Auch für die riesige Berliner „Waldbühne“ war Baus als Veranstalterin tätig.
Nebenbei absolvierte sie eine Ausbildung als Systemischer Coach mit dem Schwerpunkt „Bearbeitung von Lebenssituationen im beruflichen Kontext“. Seit 2010 berät sie regelmäßig Künstler und Führungskräfte aus diversen Bereichen in Einzel- und Teamgesprächen und bildet mittlerweile selbst Coaches aus. „Es geht dabei weniger um Psychologie als um biografische Konflikte. Natürlich hat die langjährige Theaterarbeit den Blick dafür geschult.“
Demnächst will die freiberufliche Kulturmanagerin mit ihrer Firma „Rita Baus Kulturproduktion“ ihren Lebensmittelpunkt wieder nach Bonn verlegen, aber ein Zimmer in Berlin behalten. „Was planst du aktuell?“ – „QKO soll auf jeden Fall weiterlaufen, auch wenn die Zeit für Kultur schwieriger geworden ist. Mir ging es in all den Jahren immer um die Förderung von Kreativität. Es mag banal klingen, aber jeder Mensch hat Kreativität. Die Zusammenarbeit mit Don Bosco hat mich nicht nur zu meinen pädagogischen Wurzeln zurückgeführt, sondern ist auch ungeheuer inspirierend. Junge Menschen in aller Welt bei der Entwicklung ihrer Identität und einer eigenen Stimme unterstützen zu können, ist wie ein Geschenk. Medellín galt in den 1990er Jahren als gefährlichste Metropole der Welt und wird nun international als eine der innovativsten Städte betrachtet. Transformation durch Kultur ist eine große Aufgabe unseres Jahrhunderts. Das Projekt „M.O.V.E“ mit seinen fabelhaften künstlerischen Glücksmomenten wird also gewiss noch mehr Raum in meinem Leben einnehmen.“ Ritas Energie und vielseitige Kompetenzen machen einfach Lust auf neue Wege.

Dienstag, 01.11.2022

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