Stephan Ohm - Kultur Nr. 175 - Januar 2023

Theatermusiker, Komponist, Dirigent, Autor, Regisseur und Schauspieler - Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Stephan Ohm

In wenigen Tagen feiert „Ich will keine Schokolade“ im Contra-Kreis seine Uraufführung. Autor ist Stephan Ohm, der auch die musikalische Leitung übernommen hat und den ­Pianis­ten Jürgen spielt. Der Kölner Musiker Jürgen Fritz komponierte 1987 für Trude Herr das legendäre Abschiedslied „Niemals geht man so ganz“, das sie zusammen mit Wolfgang Niedecken (BAP) und Tommi ­Engel (Bläck Fööss) interpretierte und mit dem sie in diversen Fernsehshows auftrat. „Tanja Bahmani, die nun im Contra-Kreis die Trude Herr verkörpert, kenne ich schon, seit sie vor zehn Jahren im Hamburger Ohnsorgtheater in der plattdeutschen Uraufführung des Musicals ‚Der kleine Horrorladen‘ mitspielte. Im Contra-Kreis gastierte sie erstmals 2015 in der musikalischen Komödie ‚Höchste Zeit‘ als rheinische Frohnatur.“ Stephan Ohm war Regisseur und musikalischer Leiter der erfolgreichen Produktion. „Schon damals entstand die Idee, mit Tanja ein Stück über Trude Herr zu machen. Den ersten Entwurf, bei dem sie im Beethovenjahr 2020 im Himmel den Bonner Komponisten und seinen Kölner Kollegen Jacques Offenbach treffen sollte, haben wir verworfen. Wir erzählen nun das Jahr 1987, in dem sich die wunderbare Künstlerin von der Bühne verabschiedete.“ (s. Kritik S. 6)
Wegen Corona hatte Ohm plötzlich Zeit, ein neues Stück zu schreiben und zu komponieren. Im Moment hätte er allerdings gern zwei Leben, um seine vielen Aufgaben zu bewältigen: „Vieles, was lange geplant war, muss­te verschoben werden und kommt jetzt Schlag auf Schlag raus.“ Neben den Proben und Aufführungen im Contra-Kreis ist er ja auch noch beim Weihnachtsspezial „Fritz und Hermann packen aus“ (s. „kultur“ 174) beim Pantheon engagiert, wo er als der „Herr Kapellmeister“ die musikalischen Fäden versponnen hat, auch wenn er nun nicht mehr ständig am Flügel mitwirken kann. Mit dem Kabarettduo Norbert Alich und Rainer Pause ist er seit 1996 verbunden, als er in der damals noch vom städtischen Theater Bonn bespielten Halle Beuel die musikalische Leitung der Operette „Saison in Salzburg“ übernahm. Dass hier einmal das Pantheon residieren würde, ahnte damals niemand. Seit 2019 führt der Pantheon-Hauspianist auch Regie bei der Karnevals-Show „Pink Punk Pantheon“. „Das ist keine klassische Regiearbeit, ich kümmere mich um dramaturgische Strukturen und sondiere Material. Aber mit zwölf kreativen Köpfen in einer paritätisch mitbestimmenden Truppe entwickelt sich das stets sehr dynamisch.“ In dieser Saison sind übrigens weniger Termine angesetzt als vor Corona. „Zuvor waren alle Vorstellungen immer nach wenigen Tagen ausverkauft. Das ist schwieriger geworden, weil die Leute verunsichert sind und immer kurzfristiger Tickets buchen. Mit Absagen wegen Erkrankungen muss man leider immer noch zurechtkommen. Dass das für alle Beteiligten Stress ist, brauche ich dir nicht zu sagen.“
2019 sollte eigentlich in Duisburg unter seiner Leitung das Musical „Wallace“ über den schottischen Nationalhelden herauskommen. Die weibliche Hauptrolle sollte Sarah Kornfeld singen, die jetzt im Kleinen Theater in ‚Cabaret‘ die Sally spielt und eine wirklich tolle Stimme hat. „Wir hatten auch schon eine Weile geprobt, aber dann scheiterte das Projekt an Finanzproblemen des Produzenten. An Corona dachte damals noch niemand. Es gab zwar Insolvenz-Ausfallgeld, aber als Freiberufler trägt man halt das Risiko des Unternehmens mit.“
Dass im vergangenen Sommer am Aachener Grenzlandtheater die letzten Vorstellungen von „Saturday Night Fever“ ausfallen mussten, verschaffte Ohm immerhin die Zeit, zusammen mit seiner Frau Barbara Köhler das Kinderstück „Die Bonner Stadtmusikanten“ fertigzustellen, das am 1. Oktober am Kleinen Theater Bad Godesberg in seiner Regie Premiere hatte und wegen des großen Erfolges im nächsten Frühjahr wieder aufgenommen wird. Mit Steffen Laube, der den Esel spielt, und Amanda Whitford (als hinreißende Katze) ist Ohm seit 30 Jahren befreundet. „Beim ‚Kleinen Horrrorladen‘ 1992 im Kleinen Theater hat Steffen, der damals am Schauspiel Bonn engagiert war, sich Hals über Kopf in Amanda verliebt. Mit beiden habe ich danach noch viel zusammengearbeitet. 1999 beispielsweise wirkte das Paar mit in Andras Fricsays legendärer Inszenierung der Operette ‚Die Blume von Hawaii‘ in der Halle Beuel.“ Als eine seiner schönsten Arbeiten am Theater Bonn sieht er aber „Hair“, damals inszeniert von Pavel Mikulastik in der Oper mit Ohm als musikalischem Leiter und Dirigenten.
Stephan hat seine Frau übrigens auch im Theater kennengelernt – bei „Non(n)sens“ in Aachen. Bereits 1989 war er als muskalischer Leiter bei der deutschen Erstaufführung dieses Musicals in den Düsseldorfer Kammerspielen engagiert. Sein 40-jähriges Bühnenjubiläum hat er 2021 im Contra-Kreis gefeiert mit „Souvenirs“, wo er den geduldigen Pianisten an der Seite der von Köhler brillant verkörperten Florence Foster-Jenkins spielte. „Ich hatte großen Respekt vor meiner Rolle, denn so viel Text musste ich bisher noch nie lernen.“ Tatsächlich schloss sich damit auch ein Kreis, denn am Contra-Kreis-Theater gab er 1981 sein Bühnendebüt als Keyboarder in dem Musical „Sie spielen unser Lied“. Das war noch vor dem Beginn seines Studiums an der Musikhochschule Köln, das er 1989 abschloss. Fast 25 Jahre lang lebte er in Köln ganz in der Nähe des 1977 von Trude Herr gegründeten „Theaters im Vringsveedel“. „Für Kinder war die Gegend aber nicht geeignet. Deshalb zogen wir – unser Sohn ist jetzt 17 – wieder in meine Heimatstadt Bonn.“
Stephan Ohm stammt aus einer musikalischen Familie. Seine Mutter war Klavierlehrerin, sein Vater unterrichtete an einem Bonner Gymnasium und war auch Sänger. Eine Schwägerin seiner Mutter ist die bekannte Sopranistin Monica Pick-Hieronimi, die große Opernpartien überall in der Welt sang und aus deren Gesangsklasse an der Kölner Hochschule für Musik zahlreiche bedeutende Sängerinnen und Sänger hervorgingen. ­Stephan erhielt als Kind Klavierunterricht von seiner Mutter. „Ab 12 Jahren betrieb ich es ernsthaft, hatte aber kein Interesse an einer Konzertkarriere. Ich studierte im Nebenfach klassisches Schlagzeug und Gesang, im Hauptfach dann Schulmusik. Bereits während des Studiums war ich mit Musicals unterwegs und blieb dann beim Theater.“ 1989 übernahm er die musikalische Leitung der Deutschlandtournee des Musicals „Irma la Douce“ und war danach ständig an verschiedenen Bühnen als musikalischer Leiter und Dirigent engagiert. Mit großen Musical-Produktionen wie „Saturday Night Fever“, das 2004 im Münchener Zirkus Krone herauskam, war er fast ein ganzes Jahr lang auf Tournee mit monatelangen Aufführungsserien u. a. im Baseler Musicaltheater und im Capitol-Theater in Düsseldorf. 2009 leitete er die deutschsprachige Erstaufführung von „Monty Python’s Spamalot“ in Köln.
An den Contra-Kreis zog es ihn zwischendurch immer wieder. In über zehn Produktionen war er als Autor, musikalischer Leiter oder Darsteller beteiligt – oft gleich in mehreren Funktionen. Zu seinen größten Erfolgen zählt das dort 2002 uraufgeführte Musical „What a Feeling“, das er zusammen mit dem Bühnenautor Wolfgang Adenberg verfasste. Das Stück wurde mit dem deutschen Kritikerpreis „Bestes Comedy-Musical“ ausgezeichnet, mehrfach wieder aufgenommen und mit einer witzigen Fortsetzung weitergeschrieben.
Zu Hause betreibt der vielseitige Künstler als Musikproduzent auch noch ein Tonstudio und hat mit seiner Frau mehrere CDs mit Kindermusicals herausgebracht. „Am liebsten sind mir aber Live-Aufführungen mit dem direkten Kontakt zwischen Publikum und Performance. Gerade für Kinder, die mit den allgegenwärtigen digitalen Medien aufwachsen, ist das oft ein Schlüsselerlebnis. Sie nehmen es übel, wenn man sie nicht ernst nimmt. Sie haben aber auch kein Problem mit unlogischen, anarchischen Sachen.“ 2017 hat er im mobilen Theatercontainer des Theater Bonn das Stück „Igraine Ohnefurcht“ nach Cornelia Funkes Roman musikalisch geleitet. Seit mehreren Jahren komponiert er regelmäßig Bühnenmusiken für Kinderstücke am Theater Heilbronn. Soeben feierte dort sein neues Werk „Alice im Wunderland“ Premiere.
In Arbeit ist gerade die musikalische Komödie „Die Sieben Todsünden“. Voller Pläne steckt er sowieso immer. Bis Ende Januar 2023 ist er aber erst mal fast jeden Abend im Contra-Kreis zu erleben.


Mittwoch, 01.02.2023

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