Stefan Keim- Kultur Nr. 177 - April 2023

Autor, Schauspieler, Kritiker, Laudator und Moderator - Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Stefan Keim

Mit seinen vielen Aktivitäten könnte man fast schon eine halbe kultur-Seite füllen. Wer regelmäßig Kultursendungen auf WDR 3/4/5 oder Deutschlandradio Kultur hört, kennt seine Stimme. ­Stefan Keim ist ständig als freier journalistischer Berichterstatter unterwegs, überwiegend in NRW, aber auch jenseits der Landesgrenzen. Wenn er nicht gerade selbst auf der Bühne steht. Beides macht er „furchtbar gern“. Das alte Klischee vom Kritiker, der entweder ein verhinderter Künstler ist oder das Theater-Metier rigoros nur von außen betrachtet, unterwandert er mit lockeren Seitenwechseln.
Gerade kommt er von einer Probe im Contra-Kreis, wo sein neues Stück ­Entführung für Profis in der Regie von Horst Johanning Ende März uraufgeführt wird. Verfasst hat er die „knallzarte Krimikomödie“ zusammen mit dem Schauspieler und vielseitigen Sprecher Martin Bross, den er schon seit der Schulzeit kennt. Martin wurde 1972 in Wetter an der Ruhr geboren, wo auch Stefan, geboren 1967 in Hagen, aufwuchs und bis heute wohnt. Angefangen hat alles ganz klassisch mit einer Schultheater-AG: „Da gab’s tolle Mädchen, Superleute und überhaupt viele gute Ideen“. Stefan wurde also spielend zum Theater-Fan. „Unser Lehrer war ein begeisterter Theaterbesucher und machte uns auf wichtige Inszenierungen aufmerksam. Es war die große Zeit von Claus Peymann am Bochumer Schauspielhaus. Als Oberstufenschüler fuhr ich mit meiner Clique jede Woche dorthin, und allmählich wurde das Theater zu meinem Lebensinhalt. Einmal suchte ein Regisseur Leute für ein Open-Air-Projekt. Ich wurde engagiert und spielte so zum ersten Mal richtig für Geld.“
Schauspiel hat er nach dem Zivildienst in der Altenpflege aber doch nicht studiert, sondern an der Uni Dortmund Journalismus sowie Geschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften. „Alles mit viel Spaß und ohne Abschluss“, wie er auf seiner Homepage berichtet. „Meine Eltern fanden Journalismus seriöser als die Schauspielerei, was ich jetzt mal nicht weiter kommentiere.“ Außerdem hat er auch damit bereits als Zehntklässler angefangen. „Mein Musiklehrer wies mich darauf hin, dass die Lokalzeitung jemanden suchte, der über klassische Musik berichten könnte. Er hatte keine Lust, ich schrieb gern. So verfasste ich Konzertbesprechungen, dann Opern- und schließlich auch Theaterkritiken. Den Bonner Generalintendanten Bernhard Helmich habe ich schon in den 1990er Jahren kennengelernt, als er noch Dramaturg in Dortmund war.“
Parallel zur journalistischen Tätigkeit lief immer das Theaterspielen und zunehmend auch die Entwicklung eigener Programme, mit denen er inzwischen an weit über 100 Kleinkunstbühnen in der ganzen Republik aufgetreten ist. Eine solide Sprechausbildung hat er bei seinem Hauptarbeitgeber WDR erhalten. „Ich hatte da eine tolle Lehrerin, die nicht nur das Mikrofonsprechen im Blick hatte, sondern auch das, was man auf der Bühne braucht von Atemtechnik bis Stimmstütze, also alles was zur Grundlage des Schauspielberufs gehört.“
Den großen Komiker Heinz Erhardt hat er natürlich nicht mehr auf der Bühne erlebt, sondern nur im Fernsehen. Aber nicht nur wegen der äußeren Ähnlichkeit ist der geniale Sprachspieler ein Vorbild des Kabarettisten ­Stefan Keim. „Von dem scharfsinnigen poetischen Komödianten habe ich viel gelernt. Er war für mich eine Art Türöffner in mehrere Richtungen. Schon während des Studiums war ich auch oft im Haus der Springmaus, weil mich die damals hierzulande noch ganz neue Form des ­Improvisations­­theaters faszinierte. Wie macht man aus zugeworfenen Sprachfetzen ein Musical oder ein Liebesgedicht? Als Comedian sehe ich mich jedoch nicht. Ich möchte, dass die Leute nicht nur lachen, sondern mitfühlen, dass da was dahinter liegt. Ich mag die leiseren Zwischentöne und die Reflexion über das, was Humor bedeutet. Theater ist – wie die Theaterkritik – Kommunikation. Manchmal fährt das Publikum bei einer Pointe total ab, bei anderen Vorstellungen oder an anderen Orten verpufft ein Witz oder zündet – wenn überhaupt – plötzlich in einem unerwarteten Moment.“
Fast schon zu Hause fühlt Stefan Keim sich im Bonner Contra-Kreis-Theater, wo er 2015 erstmals mit seinem Solo Ritter, Reime und Romanzen auftrat, einer Heinz-Erhardt-Hommage. Es folgten nach weiteren kabarettistischen Gastspielen die Komödien Der Mustergatte (mit Stefan als Heinz Erhardt-Figur Willi Witzigmann) und Der Mönch mit der Klatsche. Mit dem Contra-Kreis-Chef Horst Johanning liegt er nicht nur bei der Ironie auf einer Wellenlänge, mit seiner Schauspielkollegin Michaela Schaffrath sogar ­konkret als Ozeanreisender. Sie entführte den bekennenden Fan alter ­Edgar-Wallace-Thriller nämlich auf ein Kreuzfahrtschiff. „Die Krimikomödie brauchte praktisch kein Bühnenbild und war somit Aida-tauglich. Es ist auch mal schön, tagsüber Urlaub zu haben und abends die Leute in dem schwimmenden Dorf zu unterhalten. Mit dem verrückten ‚Mönch‘ werden wir noch bis 2025 unterwegs sein.“
Entführung für Profis ist aber wieder ein klassisches Bühnenstück und erschien sogar bei einem renommierten Theaterverlag. Am 3. März wurde eine Fassung in alemannischem Dialekt in Freiburg präsentiert, die Uraufführung auf Hochdeutsch bleibt aber dem Contra-Kreis vorbehalten und läuft dann bis zum 14. Mai. Am 3. Mai hat Stefan sich allerdings eine Auszeit erbeten, weil just dann die feierliche Eröffnung der Ruhrfestspiele stattfindet, bei der er einfach nicht fehlen kann. „Wie bringst du überhaupt deine Jobs unter einen Hut? Spielen, schreiben, reden, ständig als kritischer Beobachter unterwegs zwischen Aachen, Bielefeld und Wetter und zudem noch künstlerisch aktiver Teil der Szene? Kannst du nach den Vorstellungen in Bonn noch nach Hause fahren?“ – „Meistens schon, ansonsten hat das Theater preisgünstige Zimmer in einem nahegelegenen, sehr angenehmen Hotel reserviert. Eine genaue Zeitplanung ist notwendig. Aber ich möchte gern so oft wie möglich bei meiner Frau und meinen drei Kindern sein. Die beiden Großen studieren bereits. Außerdem gehört zur Familie noch ein Berner Sennenhund. Tatsächlich sitze ich viel im Auto. Mein Hauptarbeitgeber sind die WDR-Hörfunkprogramme. Aber ich darf auch bei der Welt am Sonntag, der Deutschen Bühne und beim Westfalenspiegel regelmäßig mitmachen und bin freier Redakteur bei Theater der Zeit.“ Dort erschien kürzlich seine kritische Reportage „Fair bezahlt und arbeitslos?“ zur Problematik der geplanten Anhebung der Honoraruntergrenzen in der freien ­Szene. Stefan gehört nämlich zu den Kollegen, die die großen Staats- und Stadttheater ebenso genau beobachten wie die privaten Kulturbetriebe.
Außerdem schreibt er Theaterstücke, Live-Hörspiele, Dinner-Krimis, Kabarettprogramme für sich und diverse Kolleginnen und Kollegen und Texte für unterschiedliche Veranstaltungen. Seine Weihnachtssatiren „Haben Sie’s heilig?“, mit denen er 2015 auch im Contra-Kreis auftrat, sind auch als Buch erschienen. Regelmäßig moderiert er zudem Konzerte (z.B. das Neujahrskonzert der Duisburger Philharmoniker), Galas (z. B. eine „Faust“-Preisverleihung) und sonstige Events. Im Herbst 2022 war er im Bonner Opernhaus zu erleben als Moderator der Einführungsmatinee zu Franchettis Oper ­Asrael. Er ist gefragtes Mitglied verschiedener Jurys und lobt auch immer wieder gern. Um nur ein paar Beispiele herauszugreifen: 2018 hielt er in Dortmund die Laudatio für den Bühnenkomponisten ­Finck von ­Finckenstein, 2020 die Laudationes für die Theaterpreise der Paderborner Theaterfreunde. Neben seinen vielen journalistischen Arbeiten und fachlichen Schreib-, Rede- und Moderationsaufträgen engagiert sich der exzellente Kenner der Theaterszene beim Netzwerk „Theater der Zukunft“ in der Arbeitsgruppe „Publikum / Nicht-Publikum“, in der auch Juliane ­Schmidt-Sodingen, die Geschäftsführerin der Theatergemeinde Bonn, mitwirkt. Im Juni wird es in Zusammenarbeit mit dem Theater Bonn ein dreitägiges großes Meeting des Netzwerks geben.
Aktuell freut Stefan Keim sich darauf, wieder selbst zu spielen. Natürlich muss man auch selbstverfasste Texte lernen und die Figuren zusammen weiterentwickeln. „Eine lange Vorbereitung brauchten wir nicht, die Proben laufen wunderbar entspannt. Das Team kennt sich ja seit etlichen Jahren. Wir haben eine Menge Spaß und hoffen auf viele Zuschauerinnen und Zuschauer, mit denen wir unser Vergnügen teilen können.“




Montag, 01.05.2023

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