Markus J. Bachmann - Kultur Nr. 178 - Mai 2023

Shakespeare, ein zerbrochner Krug, ein Haken und das Recht auf Jugend - Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Markus J. Bachmann

Die Bühne war nicht von Anfang an sein Traumziel. „Schauspieler zu werden, war zwar so ein naiver Kindheitstraum, aber kein unüberwindliches Bedürfnis“, erzählt ­Markus J. Bachmann (das „J“ steht für Josef) bei unserem Treffen. „Und wenn schon Schauspiel, dann eher Film und Fernsehen.“ Man ging mit der Schule oder der Familie ab und zu ins Salzburger ­Landes­theater, eine frühe große Leidenschaft wurde daraus jedoch nicht. Als er die Rolle des Trinculo in der Schultheater-AG seines Gymnasiums in Bad Reichenhall nicht bekam, beschloss er mit einigen Schulkameraden, die Aufführung auf DVD aufzunehmen. „Wir erhielten sogar Geld für die Miete einer tollen Ausrüstung inklusive einem Kamerakran.“ Mit Freunden gründete er dann während seiner Schulzeit eine ­Medienagentur, die übrigens immer noch existiert, und gestaltete Präsentationen für Anwälte und andere Freiberufler. Mit der Porträt-Fotografie als Hauptberuf hat er zeitweise geliebäugelt und kann sich das als Standbein für die Zukunft immer noch vorstellen. Die Beispiel-Fotos auf seiner Homepage lassen keinen Zweifel daran, dass er Freude am Gestalten von Bildern hat.
Geboren wurde Bachmann 1996 in Oberndorf bei Salzburg, wuchs im Berchtesgadener Land auf und hat sowohl die österreichische wie die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach Köln verschlug es ihn eher zufällig. Er bewarb sich bei der renommierten Schauspielschule des privaten Theaters „Der Keller“ (zu den berühmten Absolventen gehörte u. a. der 2023 verstorbene Regisseur Jürgen Flimm) und wurde sofort genommen. „Es war mein einziges Vorsprechen. Den Unterschied zwischen staatlichen und privaten Schauspielschulen kannte ich gar nicht, aber mit der Ausbildung am ‚Keller‘ habe ich Glück gehabt.“ Dort hat man ihn dann doch davon überzeugt, auf der Bühne zu spielen. Während seines Studiums von 2014 bis 2018 sammelte er eine Menge praktische Theatererfahrungen. Den Narren Trinculo in Shakespeares „Sturm“ hat der großgewachsene (187 cm), schlanke, glatzköpfige Schauspieler schließlich doch noch verkörpert: 2018 am privaten Wolfgang Borchert Theater Münster in der Regie von Meinhard Zanger.
Zu seinen herausragenden Arbeiten im Kölner „Keller“ zählt er „Clockwork Orange“ nach dem Roman von Anthony Burgess und „Das Fest“ nach dem Film von Thomas Vinterberg – beides in der Regie von Charlotte Sprenger. Für seine Darstellung des Christian in „Das Fest“ wurde Bachmann 2019 von der Theatergemeinde Köln für den „Puck“-Preis als bester Nachwuchsschauspieler nominiert. Ebenfalls sehr erfolgreich war „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ nach dem Roman von Joachim Meyerhoff in der Regie von Matthias Köhler. „Das haben wir inzwischen sicher 75-mal gespielt. Wie ‚Clockwork Orange‘ steht das Stück immer noch auf dem Spielplan, und auch ‚Das Fest’ ist noch nicht endgültig aus dem Programm genommen. Ich möchte das unbedingt weitermachen, weil mir diese Produktionen viel bedeuten. Außerdem sind wir im ‚Keller‘ wie eine kleine Familie.“ Obwohl Bachmann zum Ende dieser Spielzeit nach drei Jahren das Theater der Stadt Bonn verlässt, um frei zu arbeiten, wird er also weiter als Bühnenschauspieler zu erleben sein.
Am Bonner Schauspiel gehört er seit der Spielzeit 2020/21 zum festen Ensemble. Im Schauspielhaus vorgestellt hat er sich in der aberwitzigen Komödie „Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“, inszeniert von ­Roland Riebeling. „Das hat Riesenspaß gemacht, gerade weil wir unter Corona-Bedingungen überhaupt kein Bühnenbild hatten, sondern nur ein paar Garderobenständer.“ Markus spielte fast alle weiblichen Rollen und zeigte mit sichtlichem Spaß an bizarren Verkleidungen sein komisches Talent.
Mit Riebeling hat Bachmann in der laufenden Spielzeit erneut zusammengearbeitet bei der Uraufführung der Komödie „Der Haken“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz. Hier war er der schnöselige Wiener Nachwuchs-­Investor Peer, der mit seinen flott eroberten Millionen gleich das ganze Haus aufkaufen möchte. Als witzige Mischung aus Sebastian Kurz und René Benko konnte er auch seinen österreichischen Heimatdialekt einsetzen. „Zum ersten Mal spielte ich eine Rolle mit Perücke, selbst mein Vater hat mich in den ersten Minuten gar nicht erkannt.“
Sein Vergnügen an Verkleidungen konnte Bachmann 2021 genießen in den „Prinzessinnendramen“ von Elfriede Jelinek. Da war er gleichzeitig das märchenhaft schöne Schneewittchen und der mörderische Jäger mit neckischem Federhut. Außerdem war die Inszenierung ein Wiedersehen mit der Regisseurin Charlotte Sprenger, mit der Bachmann schon mehrfach in Köln zusammengearbeitet hatte. Wegen Corona konnte die aufwändige Produktion leider nicht live gezeigt werden. „Zusammen mit dem wunderbaren Videokünstler Lars Figge haben wir uns kurzfristig entschlossen, daraus einen Film zu machen. Das Ganze war eine total schöne Arbeit, obwohl es für das Publikum nur als Stream zu erleben war.“
In Kleists Lustspiel „Der zerbrochne Krug“, inszeniert von Schauspieldirektor Jens Groß, kam dann endlich eine klassische Bühnenrolle. Wie Bachmann da das ständig nervös mit der Unterlippe zuckende, unsicher seine Mütze drehende, grenzdebile Vatersöhnchen Ruprecht mimte, war ein komödiantisches Glanzstück. Zu Beginn der aktuellen Saison war er Teil des Männerchors in „Medea 38“ von Dogan Akhanli. „Wir haben dafür unglaublich viel Material studiert. Es war eine sehr spezielle Arbeit, aber für mich eine große Freude, erstmals mit dem Regisseur Nuran David Calis zu arbeiten, der ja gerade in Köln immer wieder auf politische Verwerfungen aufmerksam macht.“ Wider Erwarten ein Erfolg wurde die ganz kurzfristig in der Werkstatt auf den Spielplan gesetzte ­Perfor­mance „Pussy Riot. Anleitung für eine Revolution“, konzipiert von seiner Kollegin Linda Belinda Podszus und dem Regisseur Max Immendorf. „Da kommen sehr viele junge Leute, auch Menschen mit russischem Hintergrund, die manchmal äußerst emotional reagieren.“
Viel junges Publikum kommt auch in die Vorstellungen von „Recht auf Jugend“ in der Regie von Volker Lösch. „Man muss den Autor Arnolt Bronnen nicht mögen und kann auch Vorbehalte gegen die Ästhetik der Aufführung haben. Aber das Thema ist wichtig. Wir haben viel von den Aktivisti gelernt, und Lösch hat im Vorfeld sogar extra noch Akteure der Bewegung aus Berlin eingeladen. Wir bieten nach den Vorstellungen regelmäßig Nachgespräche an, die oft lange dauern und gesellschaftliche Mechanismen erhellen. Schon allein deshalb ist die Produktion für mich so wertvoll.“
Gerade am Tag vor unserem Gespräch hat Bachmann noch beim Deutschlandfunk ein Radiofeature aufgenommen, in dem es um die Kritik an der Infantilisierung der Gesellschaft geht. Denn parallel zu seiner Theaterarbeit ist er seit mehreren Jahren als Film- und TV-Darsteller tätig, hat z. B. in der ZDF-Krimi-Reihe „Wilsberg“ mitgewirkt und leiht Kino-Charakteren seine Stimme als Synchronsprecher. Im vergangenen Jahr z. B. kam die deutschsprachige Version der amerikanischen Serie „Pistol“ über die Geschichte der britischen Band „Sex Pistols“ heraus. Bachmann synchronisierte den Schauspieler Toby Wallace in der Rolle des Erzählers und Gitarristen Steve Jones. „Im Studio hat man kurze Takes von wenigen Sekunden, muss sich auf Lippenbewegungen, Sprachrhythmus und imaginäre Räume konzentrieren. Das erfordert schon einige Übung.“ Oft ist seine Stimme auch in Hörspielen und sonstigen Rundfunkformaten zu vernehmen. Sein besonderes Interesse gilt derzeit Hörbüchern. Gerade in Arbeit ist „Greenwild“ der Kinderbuch-Autorin Pari Thomson, das im kommenden Herbst erscheinen soll. Am liebsten macht er verschiedene Sachen nebeneinander. „Sonst verengt sich der Blick. Und wenn ich in einem Projekt viel Energie verbrauche, kann ich in einem anderen neue tanken.“
Klar, ein Schauspieler, der bei Salzburg zur Welt kam, träumt schon mal davon, irgendwann bei den Festspielen nicht nur Zuschauer zu sein. Oberflächlicher Glanz interessiert Bachmann jedoch kaum. Er ist ein nachdenklicher Spieler, der Erfahrungen gern genau reflektiert. Und er ist jung genug, um noch viele Wege künstlerisch zu erkunden.



Donnerstag, 01.06.2023

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