Gruppenleiter des Kreis Altenkirchen Norbert Grüttner - Kultur Nr. 173 - November 2022

Verantwortung für Kulturinteressierte auf mehr als 1.000 km2

Die im Jahr 1956 von StD Heinz Viehmeyer gegründete Gruppe Altenkirchen ist eine der ältesten Besuchergruppen der Theatergemeinde BONN. Seit 1977 wird sie von Norbert Grüttner geleitet. In einem Interview gibt Norbert Grüttner Einblicke in seine ehrenamtliche Tätigkeit.
Kultur (K): Lieber Herr Grüttner, wie kam es, dass Sie die Leitung der Gruppe Altenkirchen übernommen haben?
Ich war Schüler am Gymnasium Altenkirchen und bin nach meiner Lehramtsausbildung im Jahr 1974 an diese Schule als Lehrer für Biologie und Erdkunde zurückgekehrt. Schon in meiner Oberstufenzeit in den Jahren 1963 bis 1966 hatte ich im Auftrag meines damaligen Lehrers Herrn Viehmeyer die Oberstufenschüler mit Theaterkarten „versorgt“. Ab 1974 habe ich die Leitung der Schülergruppe übernommen, ab Ostern 1977 dann die gesamte Gruppe.
Herr Viehmeyer hatte mich dem Kollegium als seinen Nachfolger vorgestellt – eigentlich im Bezug auf die Erstellung der Stundenpläne, aber alle haben es so verstanden, dass es sich auch auf die Theatergemeinde bezieht. Und von da an hatte ich diesen „Job“. Oft wurde ich gefragt, wie man ausgerechnet mit der Fächerkombination Bio und Erdkunde eine „Theatergruppe“ leiten könne!
Dass in einer Besuchergruppe aus dem Umland Schüler und Erwachsene gemeinsam ins Theater fahren, ist etwas Besonders. Wie ist die altersmäßige Zusammensetzung Ihrer Gruppe heute?
Herr Viehmeyer hatte als Chorleiter immer Kontakt zu Erwachsenen und Schülern zugleich – so entstand damals die „Mehrgenerationengruppe“. In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der Schüler praktisch auf Null gesunken. Die Lehrer schaffen es nicht mehr, die Schüler ins Theater zu bringen. Nach meiner Pensionierung im Jahr 2000 bin ich noch selbst durch die Jahrgänge ab Klasse 10 gegangen, um die Schüler auf das Theaterangebot aufmerksam zu machen. Heute sind von den über 50 Mitgliedern der Gruppe Altenkirchen ca. 20 Personen berufstätig, die weiteren sind Senioren.
Schon im Jahr 1956 waren der Besuchergruppe Altenkirchen viele benachbarte Orte „angeschlossen“, d. h. man fuhr gemeinsam an den gleichen Tagen ins Theater, mit mehreren Bussen. Heute fahren Sie gemeinsam mit den Gruppen aus Hachenburg/Kroppach und Wissen. Wie groß ist Ihr Einzugsgebiet?
Allein der Kreis Altenkirchen hat eine Fläche von ca. 25 km mal 50 km. Hinzu kommen die Nachbarkreise: Hachenburg im Westerwald und südwestlich bis Burglahr nahe Neustadt (Wied).
Wie schaffen Sie es, auf die Theatergruppe aufmerksam zu machen in den vielen Ortschaften?
Vor allem die Volkshochschule Altenkirchen mit ihren Zweigstellen ist ein riesiger Ansprechpartner: Hier darf ich Material ausgelegen. Gemeinsam mit der VHS senden wir Material zur Veröffentlichung an die Rheinzeitung, kleinere lokale Zeitungen sowie die Zeitungen der Verbandsgemeinden.
Die Theatergemeinde sendet alle Karten für Ihre Gruppe an Sie. Wann und wie erhalten Ihre Gruppenmitglieder ihre Theaterkarten?
Früher habe ich immer eine Rundreise zum Kartenverteilen gemacht: insgesamt 60 km, zu allen Mitgliedern nach Hause. Inzwischen habe ich das etwas reduziert und versende mehr Karten mit der Post.
Wie groß ist das Interesse an Kultur, insbesondere an Theater, in der Region? Welche Entwicklungen gibt es in der Region, die Kultur betreffend?
Das kulturelle Angebot in der Region ist riesig: Die Siegerlandhalle und das Apollo Theater in Siegen bieten eine Fülle an Veranstaltungen, hinzu kommen z. B. das Hüttenhaus in Herdorf, das Kulturwerk in Wissen oder das Spiegelzelt Altenkirchen, außerdem die großen Stadthallen im Kannenbäckerland. Es gibt viele Laienspielgruppen und Kirchenmusik. Das alles ist eine große Konkurrenz für unser Angebot, nach Bonn in die Theater zu fahren, weil man täglich irgendwo hingehen kann. Deshalb lege ich die Theatertermine inzwischen für die gesamte Spielzeit weit im Voraus fest, damit die Leute planen können. Unser Vorteil: Eine Oper gibt es in unserem Gebiet nicht. Da muss man nach Bonn fahren.
Fahren alle Ihrer Mitglieder mit dem Bus ins Theater? An wieviele Stationen hält Ihr Bus?
Die Bequemlichkeit ist das Hauptargument für ein Theaterabo mit Busservice. Es gibt nur eine Dame, die mit dem Auto fährt. Wir fahren mit zwei Bussen für je 55 Personen, einer startet in Wissen, der andere in Hachenburg. Insgesamt gibt es 15 bis 18 Haltestellen.
Wie lang dauert die Fahrt nach Bonn?
Abfahrt in Wissen und Hachenburg ist um 17 Uhr, wenn die Vorstellung um 19:30 Uhr beginnt. Meistens sind wir erst nach Mitternacht zurück. Ein Problem ist, dass die Fahrtkosten derzeit steigen: sowohl seitens der Busunternehmen als auch weil die Gruppe derzeit nur rund 70 Leute umfasst (früher waren es 80 bis 90) und auf diese die Kosten aufgeteilt werden.
Was war Ihr schönstes und was Ihr schlimmstes Erlebnis als Gruppenleiter?
Schön waren viele tolle Aufführungen. Schlimm war vor allem mal ein Reifenplatzer auf der Hinfahrt. Aber wir haben tatsächlich noch einen Ersatzbus bekommen und die Vorstellung noch gesehen. Auch gab es mal einen Auffahrunfall auf der Autobahn auf der Hinfahrt und in den Wintern bei Schnee und Eis war es manchmal nicht ganz ohne, auf dem Rück­weg eine lange Strecke einen Berg hinab zu fahren, die unten in einer scharfen Kurve endet. Aber: Wir haben noch keine Vorstellung versäumt! Einmal waren wir sehr spät dran wegen einer Tunnelsperrung. Wir haben bei den Kammerspielen angerufen und die Vorstellung begann dann tatsächlich eine halbe Stunde später, weil auf uns gewartet wurde!
Noch eine Anekdote: Wir haben mal „Faust“ in den Kammerspielen besucht, eine moderne Inszenierung. Ich hatte im Vorfeld Bedenken, weil unsere Gruppe recht konservativ ist. Später sagten viele „Es war ein toller Theaterabend – aber es war nicht Goethes Faust”.
Was ist das größte Problem bei Ihrer Tätigkeit?
Sicherlich das Riesenangebot der Region als Konkurrenz und dass die Rheinzeitung über diese Alternativangebote intensiv vor- und nachberichtet. Hinzu kommen die steigenden Kosten für die Senioren, die in der ersten Preisgruppe sitzen müssen, weil sie nicht mehr gut hören oder sehen. Ehrlich gesagt mache ich mir auch Sorgen um meine Nachfolge. Ich kümmere mich ja nicht unbedingt freiwillig um den ganzen Kreis Altenkirchen. Eventuelle Nachfolger sagen „im Ort ja …“, aber trauen sich nicht zu, für dieses Riesengebiet verantwortlich zu sein.
Was motiviert Sie zu Ihrer Aufgabe?
Vor allem mein eigenes Kulturinteresse, das ich sicherlich auch Herrn Viehmeyer zu verdanken habe, der mich als Musiklehrer und Opernfan schon in der Schulzeit ans Theater herangeführt hat.
Sie engagieren sich auch im Vorstand der Theatergemeinde BONN, seit wann? Welche Aufgaben und Themen sind Ihnen derzeit besonders wichtig?
Seit über 20 Jahren. Ganz kurz war ich im Jahr 2000 auch mal als eigentlich 3. Vorsitzender plötzlich kommissarisch 1. Vorsitzender, nachdem ­Erika Schultz zurückgetreten war und bevor Elisabeth Einecke-Klövekorn nach einigen Monaten den Vorsitz übernahm. Ich wollte das Amt eigentlich nicht übernehmen, ich wohne einfach zu weit weg von Bonn, um der Aufgabe gerecht zu werden. Der Schwerpunkt meiner Arbeit im Vorstand waren immer die Gruppen. Inzwischen bin ich nur noch Beisitzer, da prominentere Bonner in den engeren Ortsvorstand kamen. Ich mache die Aufgabe gerne und werde auch auf den Regionalkonferenzen der Theatergemeinde gern von anderen Gruppenleiter/-innen angesprochen, um Tipps zu geben.

Die nächsten Theaterbesuche der Gruppen Altenkirchen, Hachenburg und Wissen:?11.11.22:?Asrael (Oper Bonn) / 19.12.22: Cabaret (Kleines Theater Bad Godesberg) /?8.01.23:?Ein Maskenball (Oper Bonn) /?26.01.23:?Der Haken (Schauspielhaus).

Donnerstag, 01.12.2022

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